Die Hülle der deutschen Frau

■ Aenne Burda, die erfolgreichste Verlegerin der BRD, wird heute 80

Eine attraktive alte Dame. Zweifellos. Und dazu die erfolgreichste Verlegerin der Bundesrepublik, deren Verlag 1987 immerhin einen Jahresumsatz von 180 Millionen Mark erzielte. Gemessen am Burda- (1 Milliarde) oder Axel Springer Verlag (2,5 Milliarden) eine bescheidene Summe, dafür ist Aenne Burda mit ihrem vierzig Jahren alten Produkt 'burda Moden‘ populärer als die zwei Riesen. Bis in die Sowjetunion drang der Ruf der bieder-bunten „Zeitschrift zum Mitmachen“. Seit 1987 erscheint sie auch in russischer Sprache und erreichte 1988 bereits eine Auflage von 1,5 Millionen. „Mode nicht nur für Frauen mit Mannequin-Figur“, befand die 'Prawda‘, und Raissa Gorbatschowa lobte: „Es gefällt mir.“ Zum Dank durfte sich die Kapitalistin auf dem Sofa neben der Präsidentengattin ablichten lassen - ein Foto, das um die Welt ging.

Erfolg und Attraktivität wird also niemand der 80jährigen absprechen können. Sympthischer macht sie das nicht. Leider. Sobald sie sich äußert, ist es aus mit der Bewunderung.

„Ich bin ein einfacher Mensch“, pflegt Aenne Burda in jedem Pressegespräch zu sagen. Reiche Menschen behaupten das gern und wollen damit wohl ihre Volkstümlichkeit betonen. Einfach ist an der Verlegerin nur ihr Weltbild, so simpel wie die Modelle, die 'burda Moden‘ unter der Rubrik anpreist: „An einem Tag genäht“. Was im Laufe einer Stunde an Peinlichkeiten aus Aenne Burda hervorquillt, nötigt selbst dem konservativ-steifen Fernsehjournalisten Leo Brawand ein Hüsteln ab. So geschehen am Dienstagabend in der Reihe Zeugen des Jahrhunderts. Vom Kommunismus, wenn wundert's, hält die Verlegerin nichts, aber „die Menschen dort sind furchtbar liebenswürdig“, teilte die „überzeugte Patriotin“ mit und gab allerlei Lebensweisheiten zum Besten: Glück ist, „wenn man seine Pflicht tut und wenn man es nicht als Pflicht empfindet“, und die Quoten hält sie für „beschämend. Auch für Männer, wenn sie dem Druck nachgeben“. „Ich bin für das Leistungsprinzip“, verkündete die Jubilarin, die strikt ablehnt, „was die Emanzen wollen“. „Wo nur Frauen regieren, da möchte ich nicht dabei sein“, und für die Auseinandersetzungen bei den Grünen hatte sie auch eine Erklärung parat: die vielen Frauen in der Politik: „Vielleicht streiten die deshalb so viel.“

Vom kleinen Büromädel zur Konzernchefin - ihr Lebenslauf gleicht einem Märchen: Aus kleinbürgerlichen Verhältnissen kommend - der Vater war Lokomotivführer, wie Aenne Burda bei jeder Gelegenheit betont, und die Mutter sehr katholisch machte sie eine kaufmännische Lehre, heiratete 1931 den Drucker und Verleger Franz Burda und bekam drei Söhne. In der NS-Frauenschaft war sie nie, „ich war leidenschaftlich gegen Hitler, schon weil ich das Wort Sozialismus nicht mochte“. 1949 übernahm ihr Mann einen kleinen Verlag, der mit 200.000 Mark Druckkosten bei ihm in der Kreide stand, und bot ihn seiner Frau an: „Willst Du nicht was damit machen?“ Und Aenne Burda wollte. Mit einem feinen Gespür für die Frauenträume der fünfziger Jahre machte sie aus dem maroden Betrieb ein florierendes Unternehmen: hübsch und erschwinglich, chic und stets mit dem Hauch von Solidität und Biederkeit, auf den die deutsche Durchschnittsfrau schon immer abgefahren war - Mode zum Selbermachen. Die Schnittmusterbögen lieferte die pfiffige self-made-woman gleich mit. 'Burda‘ war somit auch in Hinterzarten kopierbar.

Aenne Burda beließ es nicht bei dem einen Projekt. Inzwischen erscheinen drei weitere Frauenzeitschriften in ihrem Verlag: 'Verena‘, 'Anna‘ und 'Carina‘ sowie diverse themengebundene Hefte. Die Machart ist ähnlich, es geht vor allem ums Leibliche: um Mode, Schönheit und ums Kochen. Für den Kopf sorgt Frau Aenne persönlich.

Jeden Monat gibt es in 'burda Moden‘ eine Kolumne, und dort plaudert sie aus dem Nähkästchen ihrer Erfahrungen, gleich vorn auf Seite drei. Da lesen wir denn, harmlos und nett formuliert, von Schüchternheit und Nachbarschaft, Diskretion, Eifersucht, Drogen, Harmonie, Weihnachtsfreude, Eifersucht und Naturerleben, kurz, von allem Menschlichen, was die modebewußte Frau von heute so beschäftigt. Und damit die Lebensweisheiten der Verlegerin nicht auf dem Altpapierstapel landen, sind sie nun als Buch zu haben. Ein hübsches Bändchen, rechtzeitig zum 80.Geburtstag, in Orange und Weiß. Und weil die Verlegerin Burda weiß, wonach dem einfachen Volk gelüstet, hat man das Büchlein ein wenig veredelt und mit zarten Balken und Blüten in Gold versehen. Damit sich's im Wohnzimmerschrank auch nett macht. Die Ansichten, Einsichten und Erfahrungen der Aenne Burda sind abwaschbar und garantiert in zehn Jahren noch genauso adrett wie heute.

Heide Soltau

Aenne Burda: Ansichten, Einsichten, Erfahrungen. Kolumnen aus burda-Moden. Ausgewählt aus den Jahren 1975 bis 1989. Burda Verlag, Offenburg 1989