Grenadiere und zügellose Weiber

■ Mächtige Frauen: Claire Lacombe und ihre „Revolutionären Republikanerinnen“ / Mit Waffengewalt gegen Preistreiberei und gemäßigte Politiker / Als sie für die Jakobiner nicht mehr nützlich waren, wurden sie verboten

Birgit Schönberger

Am 25.Juli 1792 stellte sich eine junge Frau im Konvent als „Französin und Künstlerin ohne festen Wohnsitz“ vor und überraschte die Abgeordneten mit einer ungewöhnlichen Petition: „Gesetzgeber, da ich dem Vaterland nicht mit finanziellen Mitteln zu Hilfe kommen kann, so will ich ihm wenigstens mit meiner Person dienen... Geboren mit dem Heldenmut einer Römerin und mit einem Haß auf alle Tyrannen, würde ich mich glücklich schätzen, etwas zur Vernichtung der Tyrannen beitragen zu können.“ Und sie fuhr fort: „Was zögert ihr noch, La Fayette zu verhaften?... Wollt ihr warten bis die Feinde, denen ihr täglich unsere Städte ausliefert, in den Senat kommen und ihn mit Axt und Feuer zerstören?“ Den Herren Abgeordneten verschlug es die Sprache. Die junge Frau, die dem Vaterland ihre wohlgemerkt bewaffneten Dienste antrug und sich erdreistete, den führenden Revolutionären Zimperlichkeit im Umgang mit den Anhängern der Monarchie vorzuwerfen, war Claire Lacombe, eine 27jährige Schauspielerin aus Südfrankreich, die erst seit dem Frühsommer 1792 in Paris weilte. Die Antwort auf ihre Petition fiel, wie zu erwarten, höflich desinteressiert aus. „Madame, Sie sind eher dazu prädestiniert, die Tyrannen zu besänftigen als sie zu bekämpfen.“ Doch Claire Lacombe, entschlossen, sich ins revolutionäre Geschehen einzumischen, ließ sich durch derlei Kommentare nicht beirren. Wenige Wochen später, am 10.August, stellte sie ihren „Römerinnen -Mut“ unter Beweis und tat sich als besonders wagemutig bei der Erstürmung der Tuilerien hervor. Sie wurde dafür ebenso wie Theroigne de Mericourt mit der Bürgerkrone ausgezeichnet.

Über ihre Herkunft ist nichts Genaues bekannt. Sie wurde am 4.März 1765 in Südfrankreich geboren, möglicherweise als Tochter von Schauspielern. Nach verschiedenen Engagements an diversen Provinzbühnen kam sie 1792 nach Paris, um sich ins revolutionäre Geschehen zu stürzen. Es heißt, sie habe den Sprung an eine große Bühne nicht geschafft, weil ihr ihr politisches Engagement, ihre Begeisterung für die Revolution, dabei im Wege stand. Erfolgreich unter Frauen

Möglicherweise half ihr jedoch ihre schauspielerische Begabung dabei, das zu erreichen, was Olympe de Gouges und Theroigne de Mericourt zuvor bereits, jede für sich, ohne großen Erfolg versucht hatten: die Französinnen unterschiedlichster Herkunft für die Revolution zu mobilisieren und die Frauen zu einer treibenden Kraft im revolutionären Geschehen zu machen. Gemeinsam mit der Schokoladenhändlerin Pauline Leon fand Claire Lacombe den richtigen Ton, Frauen quer durch alle Schichten mitzureißen und für ihre feministischen und sozialen Ideen zu begeistern.

„Frauen, ihr habt die Glieder der Kette der Vorurteile zersprengt, die euch in die enge Sphäre des Haushalts gedrängt haben und aus der Hälfte aller Individuen passive und isolierte Wesen gemacht haben... Ihr wollt nun euren Platz in der sozialen Ordnung behaupten, die Bedeutungslosigkeit beleidigt und demütigt euch.“ Was die Mehrzahl der Frauen bei Olympe de Gouges als einen abstrakten, zu weit von ihrer eigenen Lebensrealität entfernten Feminismus empfanden, übersetzte Claire Lacombe in praktische konkrete Forderungen. Entscheidend für ihren Erfolg war, daß sie neben der Frauenfrage - sie setzte sich für die Bildung eines Frauenclubs und einer weiblichen Armee zur Verteidigung der Revolution von innen ein - vor allem soziale Probleme wie die Lebensmittelfrage anpackte. Sie erklärte allen Wucherern, Preistreibern und Hamsterern den Krieg und trat für die Festlegung von Höchstpreisen für die wichtigsten Grundnahrungsmittel ein. Damit verschaffte sie sich bei den „Frauen aus dem Volk“, die durch die Lebensmittelknappheit vor allem mit dem täglichen Überleben ihrer Familien beschäftigt waren, großen Respekt. Mit Hosen und Jakobinermütze

Im Mai 1793 gründeten Claire Lacombe und Pauline Leon die „Gesellschaft der Revolutionären Republikanerinnen“. Mit diesem Frauenclub, der es sich zum Ziel setzte, die Revolution im Inneren gegen Konterrevolutionäre und Spekulanten notfalls bewaffnet zu verteidigen, begann für die entstehende französische Frauenbewegung ein neues Kapitel. Marie-Paule Duhet spricht in ihrem Buch über die „Frauen der Französischen Revolution von einem neuen „Feminismus der Aktion“. Unter dem Einfluß von Claire Lacombe und Pauline Leon entwickelten die „Revolutionären Republikanerinnen“ einen Aktivismus und eine Radikalität, die sie bald zu einer der einflußreichsten Gruppierungen im Konvent werden ließen. Claire Lacombe und Pauline Leon wechselten sich als Präsidentinnen ab, doch es war vor allem Claire Lacombe, die sich, bekannt für ihre temperamentvollen Reden voll Überzeugungskraft, eine Schlüsselposition im Konvent verschaffte. „Diese Frau ist sehr gefährlich, weil sie sehr beredt ist“, hieß es. In den wichtigsten Entscheidungen führte bald an Claire Lacombe, die zu einer Symbolfigur des Frauenkampfes innerhalb der Revolution geworden war, kein Weg mehr vorbei. „Es sieht so aus, als habe sich die Lacombe, ihre Chefin, eine gewaltige Macht aufgebaut, und in den Auseinandersetzungen, die zwischen Robespierre und Danton im Gange sind, könnte dieses schamlose Weib die Waage in eine Richtung lenken, je nachdem für wen sie Partei ergreift“, entrüstete sich der girondistische Abgeordnete Buzot. Nicht zu Unrecht, denn die Girondisten waren die erklärten „Feinde der Republik“, denen die Revolutionären Republikanerinnen den Kampf angesagt hatten. So verwundert es auch nicht, daß derselbe Abgeordnete als Antwort auf den Vorschlag der Republikanerinnen, „die patriotischen Frauen zwischen 18 und 25 zu bewaffnen und eine Frauentruppe gegen den Aufstand in der Vendee zu organisieren“, eine Schimpftirade gegen die „Mannweiber“ losließ. „Das sind Frauen, die aus dem Schlamm der Hauptstadt aufgesammelt wurden und die ebenso unverschämt wie unzüchtig sind, weibliche Monster, die die ganze Grausamkeit der Schwäche und sämtliche anderen Laster ihres Geschlechts besitzen.“

Vermutlich hätten auch die Vertreter der dominierenden Partei im Konvent, der Bergpartei unter der Führung Robespierres, nur zu gerne in die Hetzkampagne mit eingestimmt. Denn die Revolutionären Republikanerinnen, die sich vor dem Konvent postierten, Hosen trugen und sogar die roten Jakobinermützen aufsetzten mit der Begründung, sie seien „keine dienenden Frauen, keine Haustiere, sondern eine Phalanx zur Vernichtung der Aristokratie, waren der Bergpartei in doppelter Hinsicht ein Dorn im Auge: Zum einen führten sich diese Frauen als Politikerinnen auf. Zum anderen sympathisierten sie auch noch ganz offensichtlich mit Jacques Roux und Theophile Leclerc, den führenden Vertretern der äußersten Linken im Konvent, die sich für die sozialistische Republik einsetzten. Dennoch wurden die Revolutionären Republikanerinnen zu Beginn von der Bergpartei hofiert, aus taktischen Gründen. Denn die Revolutionären Republikanerinnen traten genau zu dem Zeitpunkt auf den Plan, als die Bergpartei dabei war, ihre erbittertsten Gegner im Konvent, die Girondisten, auszuschalten. Von daher kam ihnen das revolutionäre Engagement der Frauen sehr entgegen, hatte Claire Lacombe doch bereits am 19.Mai im Konvent die Verhaftung aller Verdächtigen, die Errichtung eines Revolutionstribunals und die Vertreibung sämtlicher Anführer der Gironde gefordert. Am 31.Mai 1793, bei der Erhebung gegen die Girondisten, spielten die Revolutionären Republikanerinnen dann eine entscheidende Rolle, sie übernahmen die Bewachung des Konvents und versuchten, girondistische Abgeordnete an der Flucht zu hindern.

Für diese revolutionäre Tat wurden sie in den höchsten Tönen vom Präsidenten des Pariser Departements gelobt: „Die Revolutionären Republikanerinnen haben sich um das Vaterland wohl verdient gemacht. Ihr Eifer ist unermüdlich, ihre Wachsamkeit deckt Verschwörungen auf, ihr Einsatz bringt sie zu Fall, ihr Argwohn wendet Intrigen ab, ihre Kühnheit beugt den Gefahren vor, ihr Mut überwindet sie... Sie opfern ihre Vergnügungen dem Vaterland. Sie bewaffnen ihre Ehemänner, rüsten ihre Kinder aus... Tod oder Sieg, sagen sie noch stolzer als die Spartanerinnen... Sie verachten den Schmuck, und ihre Diamanten sind Kokarden, ihr Posten ist unter der Trikolore...“ Das Ende der Belästigungen

Doch nachdem die Revolutionären Republikanerinnen ihre Schuldigkeit getan hatten, war es mit den öffentlichen Belobigungen vorbei, und die Bergpartei begann, die Macht des einflußreichen Frauenclubs systematisch zu demontieren. Daß die Mehrzahl der Republikanerinnen unverheiratet war, kam den Jakobinern gerade gelegen, um aus den soeben noch in den höchsten Tönen gerühmten aufopferungsvollen Heldinnen der Revolution abgefeimte und zügellose Weiber zu machen, denen endgültig das Handwerk gelegt werden mußte. „Ich habe festgestellt, daß die Mitglieder dieser Gesellschaften keine Familienmütter sind, sondern Abenteurerinnen, ziellos umherschweifende Weiber, emanzipierte Gören und weibliche Grenadiere.“ Der Abgeordnete Fabre d'Eglatine erntete für seinen Beitrag lautstarken Applaus.

Die Jakobiner entlarvten sich zunehmend zutiefst antifeministisch. Und die Revolutionären Republikanerinnen mußten erkennen, daß ihre Hoffnung auf eine gleichberechtigte politische Zusammenarbeit mit den Männern eine Illusion war, daß sie auf ein taktisches Manöver der Jakobiner hereingefallen waren. Diese gaben sich zwar vordergründig einen frauenfreundlichen Touch, waren jedoch keinesfalls bereit, am herkömmlichen Frauenbild zu rütteln. „Am Abend, wenn er (der Sansculotte) in seine kleine Wohnung zurückkehrt, wirft sich ihm seine Frau um den Hals, und seine kleinen Kinder kommen, ihn zu liebkosen.“ In dieser Sansculotten-Revolutionsromantik, wie sie in der Zeitung 'Pere Duchesne‘ zu lesen war, gab es keinen Platz für Frauen, die Heim und Herd verließen, um sich in die Staatsangelegenheiten einzumischen.

Am 28.August 1793 reichte Claire Lacombe im Konvent eine Petition ein, die den Revolutionären Republikanerinnen zum Verhängnis werden sollte, bewies sie doch eindeutig die programmatische Übereinstimmung mit der Partei der linksradikalen Enrages. „Wir glauben nicht mehr an die Tugend dieser Männer, die sich darauf beschränken, sich selbst zu loben. Wir brauchen jetzt mehr als Worte, um daran zu glauben, daß der Ehrgeiz und die Slbstsucht nicht in euren Komitees regieren. Bildet die Regierung endlich gemäß der Verfassung!“ Diesmal war Claire Lacombe zu weit gegangen. Ihre Petition bot sich geradezu dazu an, sie in den Verruf einer Verräterin zu bringen und sie gemeinsam mit den Führern der Ultralinken auszuschalten. „Diese Frau spricht erst in schönen Worten, dann attackiert sie die Organe der Verfassung. Schonungslos hat sie ihre Geschütze sowohl gegen die Jakobiner als auch gegen die Verfassung aufgefahren.“ Und der Abgeordnete Chabot verlangte gewaltsame Säuberungsmaßnahmen gegen den Frauenclub einzuleiten und vor allem Claire Lacombe zu überwachen. Eine Frau fordert das Verbot

Nun fehlte nur noch ein geeigneter Anlaß, um die Revolutionären Republikanerinnen zu verbieten. Er ließ nicht lange auf sich warten: Am 28.Oktober 1793 wurden Claire Lacombe und eine Abordnung des Frauenclubs im Konvent von aufgebrachten Frauen aus den Reihen der gemäßigten Jakobinerinnen und von Frauen aus den Markthallen mit den Rufen „Runter mit der Jakobinermütze, Frauen!“ und „Nieder mit der neuen Corday!“ (Mörderin Marats) empfangen und anschließend auf brutalste Weise mißhandelt und vertrieben. Die Revolutionären Republikanerinnen wurden der Unruhestiftung bezichtigt. Und absurderweise war es ausgerechnet eine Frau aus den Reihen der Jakobinerinnen, die den Konvent aufforderte, den Frauenclub endgültig zu verbieten.

Am 30.Oktober 1793 verbot der Konvent die Gesellschaft der Revolutionären Republikanerinnen und mit ihr sämtliche Zusammenschlüsse von Frauen. Claire Lacombe unternahm einen letzten vergeblichen Versuch zur ihrer Rettung mit einer sehr mutigen Rede: „Intriganten, Verleumder, die uns nicht eines Verbrechens für schuldig erklären konnten, haben es gewagt, uns mit einer Marie-Antoinette, einer Charlotte Corday zu vergleichen. Gewiß, unser Geschlecht hat ein Monster hervorgebracht, das uns des Volkesfreund beraubte. Unser Geschlecht hat ein Monster hervorgebracht, während wir seit vier Jahren von den zahlreichen Monstern, die das männliche Geschlecht hervorgebracht hat, verraten und getötet werden.“ Sie wurde als notorische Konterrevolutionärin verklagt und ins Gefängnis gebracht. Nach 17 Monaten Haft wurde sie ungewöhnlicherweise freigelassen - was danach mit ihr passierte, ist ungewiß. Möglicherweise arbeitete sie wieder als Schauspielerin an einem Provinztheater. Mit der Verhaftung von Claire Lacombe und dem Ende der Revolutionären Republikanerinnen begann unter der Regie von Saint-Juste die Phase der „revolution glacee“, die für die Frauen die vollständige und endgültige Ausschaltung aus dem öffentlichen und politischen Leben bedeutete und sie wieder zu dem machen sollte, was in den Augen von Saint-Juste ihre natürliche Wesensbestimmung war: „Kleidungsstücke für ihre Ehemänner“ zu sein, in erster Linie geeignet als „Schmuckstücke für die Verschönerung unserer nationalen Feste“. Ende der Serie