: „Leistung wird jetzt wieder akzeptiert“
■ Uli Hoeneß, 37, Fußball-Manager bei Bayern München, über seinen Beruf, Null-Bock-Kicker, Mediengeschäfte, faule Arbeitslose, die Metropolitan Opera und sein Image
taz: Herr Hoeneß, wenn Sie Ihren Nachfolger als Manager bei Bayern München per Zeitungsannonce suchen müßten, was stünde da drin?
Hoeneß: Also ich würde ihn nicht über die Zeitung suchen, aber die Voraussetzungen wären: Er muß auf hohem Niveau Fußball gespielt haben, ein Allroundwissen haben über sämtliche Probleme des Berufes, finanzielle, steuertechnische, juristische, mit Menschen umgehen können. Er darf keine Probleme damit haben, daß 18jährige mehr verdienen als er selbst...
...Tun sie das?
Einige sicherlich. Und man muß auch mal nicht-schriftliche Verträge mit ihm einhalten können.
Wieviele ihrer Managerkollegen könnten sich denn auf diese Anzeige hin bewerben?
Ich wüßte im Moment in Deutschland niemanden.
Ein guter Fußballer muß kein guter Manager sein. Liegen die Geschäfte der Bundesliga nicht zu häufig in der Hand von Dilettanten?
Völlig falsch. Manche Vorstandsvorsitzende von Milliardenkonzernen haben als Elektriker angefangen.
Aha.
Ich habe Fußball von der Pike auf gelernt, ich habe Hirn und als Profi zehn Jahre die Augen aufgemacht. Das ist die beste Ausbildung, nur das Hirn muß man haben. Mancher Einser -Betriebswirt kann keine fünf Pfund Äpfel verkaufen. Wir brauchen an der Universität keine Fachrichtung Profifußball.
Sie haben gesagt, Sie sähen kaum einen, der den Job gut ausfüllt.
Einen Ideal-Typ wüßte ich: Karl-Heiz Rummenigge. Aber das Problem ist nicht unbedingt, daß es keine Leute gibt, sondern zuviele Präsidenten, die Angst haben, daß ihnen ein Guter die Show stiehlt, alles Seiltänzer, die jeden Tag in der Zeitung stehen wollen.
Das tun Sie auch.
Für meinen Geschmack zu viel, ich tu nichts dafür.
Die meisten Vereine können offenbar nicht mit Geld umgehen. Hertha BSC hatte vor 15 Jahren mehr Zuschauer als Bayern heute und dazu Springer im Rücken, die sind genauso Pleite wie Nürnberg mit seinen vielen Zuschauern und Millionenverkäufen.
Wenn ich in Berlin arbeiten würde, mit einem wie Springer dahinter, könnte ich dem FC Bayern Paroli bieten, ohne Probleme.
Da sagen Sie nichts Gutes über die anderen Vereine.
Einspruch, in Stuttgart wird gut gearbeitet, in Mönchengladbach, Bremen, Dortmund, der Trend geht zum seriösen Management.
Sie reden im Zusammenhang mit Fußball von Kommunikationszielen und Innovationskraft, andere von Solidarität, paßt das zusammen?
Das schließt sich nicht aus, und ohne die Bayern würde es denen noch schlechter gehen, die leben gut mit uns.
Aber Ihnen geht's nicht gut genug.
In Amerika gibt es reine Fernsehsportarten. Die haben zwar einen Haufen Zuschauer, aber die Einnahmen machen im Verhältnis zu TV und sonstigem Marketing wenig aus. So wird's bei uns auch kommen, an dem Tag, wo es bei uns Pay-TV gibt und die Privaten total da sind.
In den bisherigen Amateurstrukturen?
Es geht nur mit totaler Professionalisierung, die Ansprüche der Leute gehen in Richtung Inter Mailand und AC Mailand, da hilft nur die finanzielle Aufstockung und nicht „frisch, fromm, fröhlich, frei“. Mit „Elf Freunde müßt ihr sein“ ist der AC Mailand nicht zu schlagen.
Wie dann?
Für einen jungen Profi heute muß es wieder eine Chance sein, sozial aufzusteigen. Wir waren vor zwanzig Jahren alle aus einfachen Verhältnissen, das war ein Wahnsinn. Wenn später einer 100.000 Mark verdiente, seine Freunde konnten aber jeden Abend ausgehen, war das kein Anreiz mehr. Die Null-Bock-Generation war auch im Fußball da, und ich sehe nur die Möglichkeit, daß einer 600.000 Mark verdienen kann oder auch mal eine Million.
In der vergangenen Saison war der Zuschauerschnitt am Tiefpunkt. Zitat Hoeneß: „Das Publikum hat ein feines Gespür.“ Offenbar wollen die Leute die jungen Großverdiener weniger sehen. Von Ihnen stammt doch das Urteil, die neuen Kicker hätten keinen Spielwitz mehr, wenig Unterhaltsames wird geboten.
Das kommt wieder, bei unserem 3:4 im Super-Cup gegen Dortmund am Dienstag war's zu sehen: Kögl, Reuter, Möller, Driller. Aber es war schlecht, ab 1982 bei der WM in Spanien, da hat die Mannschaft gezeigt: Man kann saufen und rauchen und trotzdem viel Geld verdienen. Das war der Anfang einer tiefen Krise.
Und dafür wollen Sie von den Sendern pro Jahr 100 Millionen Mark.
Da geht es nicht um Qualität. Wir verlangen nur von den Anstalten den Preis, den sie für Sendungen mit ähnlichen Einschaltquoten bezahlen. Dann sind 100 Millionen ein Pappenstiel, 500 müßten wir kriegen. Die Öffentlich -Rechtlichen haben uns erpreßt, die Zeiten beginnen aufzuhören.
Wimbledon war für Sie...
...wie Weihnachten und Ostern zusammen. Und am besten haben mir die Kommentare am Montag gefallen, von allen Parteien, wie sie auf ARD/ZDF eingeprügelt haben.
Haben Sie Sport gesehen bei den Privaten?
Natürlich ist es angenehmer, wenn ich die Werbeblöcke nicht habe. Aber wenn die Öffentlich-Rechtlichen in der Pause eines Fußballspiels Werbung zeigen würden, könnten sie mit den drei Millionen jedes Spiel finanzieren.
Stätten der Begegnung
Die Stadien wollen Sie zu „Stätten der Begegnung“ machen. Empfängt mich da am Eingang der Animateur?
Die Situation in den Familien hat sich doch geändert. Keiner kann mehr die Frau zum Kaffeetrinken schicken und sagen, „ich geh zum Fußball“. Dem muß ich Rechnung tragen, auf Dauer der ganzen Familie was bieten, Biergärten, Kindergärten, vorher oder nachher ein Programm, Popkonzerte.
Die Beiprogramme zum Sport sind hochnotpeinlich, gehen Sie doch mal zum Sechstagerennen.
Ich trau mir auch zu, den Andre Heller zu verpflichten, in die Kultur reinzugehen, um so andere Leute ins Stadion zu kriegen. Wenn die dann Maradona beim Aufwärmen sehen, sind sie doch begeistert.
Weil es unterhaltsamer ist als ein Bundesligaspiel?
Er muß sich ja nicht nur warmmachen, sondern soll auch noch den Kohler ausspielen. In Neapel war er katastrophal, übergewichtig, keinen Schritt gelaufen, vierzehn Tage Vorbereitung haben dann gereicht, das ist eben ein Genie.
Weil es das hier nicht gibt, müssen Sie am Spielmodus herumbasteln.
Wir müssen die Zahl der Vereine verringern, auf sechzehn oder später vierzehn, und attraktive Ausländer holen, die heutigen kennt kein Mensch mehr, weg vom kollektivistischen Denken, hin zum Star, der auch mehr verdienen darf und seine Freiheiten hat. Daran kann sich der Fan reiben, freuen, ärgern.
Sie haben gesagt: „Der alte Neidkomplex war politisch bedingt.“
Klar, vor zehn, zwölf Jahren durfte doch keiner fünf Mark mehr verdienen, dieses Gefühl hab ich derzeit überhaupt nicht mehr. Leistung wird wieder akzeptiert, und seit die Zahlen vom Tennis da sind, haben die Fußballer keine Probleme mehr.
Schön für Sie.
Für viele. Wenn ich das über die Arbeitslosen höre, muß ich mich doch totlachen. Ich hab in Nürnberg eine Fabrik mit 60 Angestellten, wenn wir jemand suchen, ist das ein großes Dilemma. Ich behaupte, die Hälfte unserer 1,8 Millionen Arbeitslosen will gar nicht arbeiten, die leben bequem und verdienen schwarz dazu. Und wenn Sie die Frauen von den Herrn Direktoren, die auch arbeitslos gemeldet sind, abziehen, dann ist unsere Arbeitslosigkeit sicher unter einer Million.
Und denen bieten die Arbeitsämter immerhin 150.000 Stellen.
Wenn Sie zum Arbeitsamt gehen, kriegen Sie sowieso nix, da würde ich nie hingehen.
Und das können Sie so sagen: Die Arbeitslosen sind faul.
Die Hälfte, davon bin ich überzeugt, hat kein Interesse zu arbeiten.
Lassen sie uns über die Bayern reden. Sie haben jetzt den besten Werbevertrag der Bundesligageschichte, 15 Millionen in drei Jahren. Die Summe zahlt ein spanischer Verein allein für den holländischen Libero Koeman.
Ich gebe Ihnen eine andere Zahl. Der AC Mailand hat im letzten Jahr 46 Millionen Mark Verlust gemacht, das hat der Berlusconi voll übernommen, ein Herr Agnelli steckt sicher jährlich 20 Millionen in Juventus Turin.
Das finden Sie doch unseriös.
Wir sind auf dem richtigen Weg. Unser Umsatz ist 30 bis 35 Millionen, als ich angefangen habe waren es zwölf, davon 90 Prozent Zuschauereinnahmen; derzeit sind's 65.
Ihr Anteil daran?
Unser erster Vertrag mit einem Sponsor war 600.000 im Jahr, da sieht der jetzige ganz anders aus. Viele Einnahmen des FC Bayern sind über diesen Schreibtisch hier gelaufen.
Eifriger Bankdrücker
Aber auf der Bank sitzen Sie bei den Spielen immer.
Immer. Ich bin heute nacht vom Supercup bis drei mit der Mannschaft zurückgefahren, nicht mit dem Präsidium. Was die jungen Leute denken, was sie spüren, das erfahre ich doch beim Kartenspielen, in Gesprächen, wo sind ihre Probleme? Das kann ich nicht mit dem Schlips von hier oben aus. Ich bin jeden Freitag mit im Trainingslager, bei jedem Spiel, ob in Bamberg oder Barcelona. Zum Beispiel müssen jetzt zwei, die nicht Deutsch können, integriert werden, was nützt es da, wenn ich hier in der Woche 500.000 Mark erwirtschafte, und die fühlen sich in einem halben Jahr nicht wohl.
Der Meister hat mit Kohler, Mihajlovic, McInally, Schwabl, vier gute neue Spieler. Eine langweilige Saison?
Wenn sich ein solche Selbstsicherheit rausbildet bei uns, das wäre tödlich.
Bei einer Umfrage, wer von den Hoeneß-Brüdern der sympathischere sei, würde...
...ich schlechter abschneiden, gar keine Frage. Aber mich interessiert nur das Urteil der Leute, die mich kennen.
Originalzitate Uli Hoeneß: „Wir dürfen keine Rücksicht nehmen; Dinge werden gnadenlos aufgedeckt; ich brauche keine Claqueure; ich hab vor niemandem Angst; wir müssen hart und brutal verhandeln.“
Alberne Sprüche, der Zusammenhang ist doch wichtig. Hart und brutal verhandeln bei den Medien, da verdiene ich Beifall, bei einem verletzten Spieler dagegen dürfen Sie sagen, der Hoeneß ist ein Arschloch.
Gegen die Stuttgarter Kickers wollten Sie das Eintrittsgeld zurückzahlen, wenn nicht mit drei Toren Differenz gewonnen wird. Nicht gerade nett.
Der Vorschlag wurde hier bei Bayern abgelehnt, was Kickers drei Tage später geboten hat, war eine Katastrophe. Die andere Möglichkeit ist, solche Vereine dürfen nicht mehr in der Bundesliga spielen. Ich kann jeden verstehen, der zu so einem Spiel nicht hingeht. Ich würd's auch nicht machen.
Image-Probleme
Im „Sportstudio“ am Samstag haben Sie erzählt, das schlechte Image mache Ihnen schon was aus, da haben Sie richtig geschluckt. Eine sentimentale Anwandlung des harten Uli Hoeneß?
Nein, das stört mich schon, weil ich privat nicht der Mensch bin, den ich hier spiele. Aber es ist notwendig, der FC Bayern ist neben meiner Familie mein Lebensinhalt, den werde ich verteidigen bis aufs Messer.
Wenn es nur am Job liegt, warum haben dann Grashoff und Lemke einen besseren Ruf?
Weil der Lemke immer auf Image macht, auf Tränendrüse.
Daß Sie den nicht mögen, hat nichts mit seiner SPD -Geschichte zu tun?
Die politische Komponente spielt keine Rolle, und der Lemke hat in seiner Art zu leben, in seinem kapitalistischen Denken, so viel mit der SPD zu tun wie ich mit der Metropolitan Opera. Unseren SPD-Bürgermeister hier würde ich sogar wählen, und mir sind zehn Grüne im Bundestag lieber als zehn Republikaner.
Was lesen Sie im Moment außer Börsenberichten?
Nichts, ich habe keine Zeit.
Und wie sieht Uli Hoeneß den Uli Hoeneß?
Ehrgeizig, zuverlässig, ehrlich, und sozial.
Der 'Spiegel‘ hat geschrieben, sie pflegten eine „Kosten -Nutzen-Nächstenliebe“.
Weder der 'Spiegel‘ noch der 'Stern‘ noch die taz kann über einen Manager bei Bayern München positiv reden.
Interview: Herr Thömmes
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