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OAU auf Abstieg zur afrikanischen Klageinstanz

Enttäuschende Bilanz des panafrikanischen Gipfels in Addis Abeba: Beschäftigung mit Regionalkonflikten - auf die die OAU wenig Einfluß hat / Ägyptens Vermittlerfunktion im Sudan-Konflikt umstritten / Aufstockung des UN-Kontingents in Namibia gefordert  ■  Aus Addis Abeba K. Pedersen

„Unser Zusammenschluß verkommt mehr und mehr zu einer kontinentalen Beschwerdeinstanz“, resümierte ein enttäuschter westafrikanischer Diplomat am Mittwoch abend die Gipfelkonferenz der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) in Addis Abeba. Drei Tage lang war in der äthiopischen Hauptstadt vorwiegend die Rede von Guerillakriegen und Konflikten zwischen Mitgliedsstaaten, auf die der panafrikanische Zusammenschluß erwiesenermaßen wenig Einfluß hat. Unterdessen wurde die zunehmende „Marginalisierung“ Afrikas im internationalen Kräftefeld, die Schuldenlast von 230 Milliarden Dollar und die ökologische Gefahr, zum „Abfallkontinent“ reicher Industriestaaten zu verkommen, nur am Rande erwähnt.

Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak, der für ein Jahr zum neuen Präsidenten der OAU gewählt wurde, hat sich zugleich als Mittler im sudanesischen Bürgerkrieg angeboten. Mit Aussicht auf Erfolg, weil Ägypten seit Jahrhunderten direkten Einfluß auf den Nachbarn am Oberlauf des Nils ausübt. Nach Gesprächen mit dem neuen „starken Mann“ in Khartum, Oberst Omar al-Bashir, wurde der seit April eingehaltene Waffenstillstand von Regierungsseite für einen Monat verlängert. Ob die Guerilla der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) darauf mit der Eröffnung direkter Verhandlungen reagiert, steht freilich noch dahin. Trotz zahlreicher Bemühungen hat SPLA-Führer John Garang ein Treffen mit al-Bashir am Rande des OAU-Gipfels ausgeschlagen. Nhealnaeal Deng, einer der politischen Köpfe der Guerillabewegung, stellte gar in Zweifel, „ob Ägypten, das so offensichtlich das neue Militärregime in Khartum unterstützt, als friedlicher Mittler wirklich akzeptabel ist“.

Entmutigende Bilanz

Die Bilanz bisheriger Vermittlungsbemühungen der OAU ist entmutigend: seit der Gründung der panafrikanischen Organisation im Jahre 1963 wurde in der legendären Afrikahalle in Addis Abeba niemals vom Konflikt in Eritrea gesprochen - dem seit 28 Jahren andauernden, längsten Krieg auf dem afrikanischen Kontinent. Seit vorgestern bemüht sich der ehemalige amerikanische Präsident Jimmy Carter, die äthiopische Regierung und die eritreischen Rebellen endlich an den gemeinsamen Verhandlungstisch zu bringen. Derweil tagte die OAU in Addis Abeba, als ob sie das nichts anginge. Dabei hat sich die panafrikanische Organisation aller anderen „Regionalkonflikte“ angenommen - freilich mit wenig Erfolg.

In Angola und Namibia haben die Supermächte den Kompromiß ausgehandelt, zwischen Libyen und Tschad versucht eine „ad -hoc-Kommission“ seit drei Jahren vergeblich, den Grenzstreit um den Auzu-Streifen beizulegen. Senegals Präsident Abdou Diouf flog schon vor dem Ende des Gipfels nach Dakar zurück. Niemand hatte seine Klage über die willkürliche Ausweisung von mittlerweile 60.000 schwarzafrikanischen Mauretaniern wirklich ernst nehmen wollen. Eine „innerafrikanische Kommission“ wurde eingerichtet, um der peinlichen Frage auszuweichen, ob die mauretanische Regierung nicht mit rassistischen Hintergedanken den schwarzafrikanischen Süden des Landes zu entvölkern sucht.

Vergleichbare Zurückhaltung hat sich die OAU im südlichen Afrika nicht auferlegt - „Wenn die Swapo in Namibia nicht die Zweidrittelmehrheit gewinnt, dann hat es Wahlbetrug gegeben“, verurteilte der scheidende OAU-Präsident, der malische Staatschef Moussa Traore. „Wenn der Ausgang der Wahl im November schon unzweifelbar feststünde, dann könnten die Vereinten Nationen ihre kostspielige Operation bereits heute beenden“, bemühte sich dagegen UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar, die Kritik am reduzierten UN-Kontingent in Namibia zu entschärfen. Zahlreiche afrikanische Regierungen fürchten „südafrikanische Manipulationen, weil nicht genügend Beobachter vor Ort sind“. Sam Nojuma, der Führer der namibischen Befreiungsorganisation Swapo, rief erneut die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates zu einer „substantiellen Aufstockung des UN-Kontingents“ auf.

Im Hinblick auf Südafrika bleibt der Kontinent skeptisch gegenüber „reformistischen Sirenen“. Lediglich Ägyptens Außenminister Butros Ghabi hat zu „Kontakten mit liberalen, südafrikanischen Weißen“ und zum „Nachdenken über die Zukunft Südafrikas nach der Apartheid“ aufgerufen. Aber der Gipfel hat die Reinheit militanter Überzeugungen um so mehr retten wollen, als der Rest Afrikas auf den „New Deal“ im Süden des Kontinents keinen nennenswerten Einfluß ausübt. Den starken Worten gegen das „Rassistenregime in Südafrika“ folgt selten eine Tat. Die OAU-Mitgliedsstaaten haben 33 Millionen Dollar an Zahlungsrückständen angerollt, das heißt praktisch ein Jahresbudget. Davon sind neun Millionen Dollar dem „Fonds“ für die Befreiung Afrikas schuldig.

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