: AL-Senatorin Klein trudelt
Wird das Sommertheater zum letzten Auftritt für Anne Klein? / Boulevardzeitung erhebt neue Vorwürfe ■ Von B. Fehrle und C.C. Malzahn
Was in Berlin als Sommertheater begann, kann für AL -Jugendsenatorin Anne Klein zum letzten Auftritt werden. Auf Wunsch ihrer Partei, wird sie „so schnell als möglich“ aus ihrem Urlaubsort Fuerteventura einfliegen, um Rede und Antwort über ihre „Zockerleidenschaft“ (CDU-Vorwurf) zu stehen. Die Parteibasis formulierte am Mittwoch abend beim Delegiertenrat „dringenden Aufklärungsbedarf“ darüber, ob und wie die Senatorin am sogenannten „Pilotenspiel“ teilnahm.
Die Springerzeitung 'BZ‘ hatte das Sommerloch genutzt und gemeinsam mit dem CDU Abgeordneten Wienhold die Geschichte ans Tageslicht gezerrt. Danach soll Anne Klein 1987 mehrfach als „Pilotin“ Passagiere angeworben und auch mehrfach den Gewinn von 21.000 Mark eingesteckt haben.
Daß Anne Klein heute ihren Charterflug „bedauert“, wie sie am Mittwoch mitteilen ließ, war den Parteimitgliedern zu wenig, und es fiel ihnen schwer, sich rückhaltlos hinter ihre Senatorin zu stellen. Johann Müller-Gazurek, ehemaliges Mitglied im Grünen-Bundesvorstand, schlug harte Töne an. Unter großen Beifall sagte er am Abend, er könne sich kaum etwas vorstellen, was der grünen Philosophie des Umgangs miteinander mehr widerspräche als dieses Spiel. Es reproduziere die von den Grünen abgelehnte Fortsetzung auf Seite 2
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auf Eigenutz und darauf, andere „auszutricksen“. „Die Senatorin hat sich für dieses Amt disqualifiziert“, meint Gazurek und füchtetet, daß sich die AL mit ihrem Anspruch nach „neuer politischer Kultur“ unglaubwürdig mache. Die meisten der Delegierten waren aber schlicht nur verwirrt. Sie sahen sich einer riesigen öffentlichen Kampagne gegenüber und einer Senatorin, die dies selbst offensichtlich nicht so recht ernst nimmt. Ihre Persönliche Referentin, Ida Schillen, verteidigte die abwesende Anne Klein bei den Delegierten rückhaltlos. Sie unterstellte der Partei eine „bigotte und scheinheilige“ Allianz mit der CDU. Die AL falle voll auf die Moral der Konservativen und ihrer gut eingefädelten Kampagne rein. Schillen verlangte klare Worte von der Partei und unterstellt ihnen, die Gelegenheit zu nutzen, die umstrittene Senatorin fallenzulassen.
Inzwischen hat die CDU weitere Einzelheiten über Anne Kleins angebliche Flugübungen verbreitet. Der CDU -Abgeordnete Klaus Wienhold hat offenbar die eidesstattliche Versicherung eines „Zeugen“ organisiert, der Frau Klein vorwirft, insgesamt viermal an dem
„Pilotenspiel“ teilgenommen zu haben. Außerdem sei sie die Initiatorin mehrerer Spiele gewesen. Bei einem Fest, auf dem Stuhl stehend, habe Anne Klein die Spielregeln erläutert, heißt es in der Erklärung. Der Berliner CDU-Generalsekretär Landowsky will darüber hinaus wissen, daß Frau Klein „zweifelnde Spieler von der Rechtmäßigkeit des Spiels überzeugt“ und sie aufgefordert haben soll, „einen Teil ihres Gewinns für alternative Projekte zur Verfügung zu stellen“. Diese Behauptungen wurden von der Pressesprecherin Frau Kleins scharf zurückgewiesen. Die CDU, die REPs und die FDP fordern mittlerweile den Rücktritt der Feministin.
Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Monika Buttgereit stellte sich gestern mit einer Presseerklärung schützend vor die mutmaßliche Zockerin. Wer im Glashaus sitze, solle nicht mit Steinen werfen, erklärte sie an die Adresse der CDU, die, „tief in Bestechungsskandale verwickelt“, es nie geschafft habe, sich von ihren „kriminellen Elementen vollständig zu lösen“. Der frühere AL -Abgeordnete und Aktionspolitologe Dieter Kunzelmann fordete dagegen in einem Gespräch mit der taz den Rücktritt der Senatorin: „Das Pilotenspiel ist ein ganz übles Abzockspiel, bei dem nur die gewinnen konnten,
die es initiierten. Die AL kann nicht moralisch ethische Ansprüche an andere stellen, ohne sie selbst einzulösen.“ Anne Klein hätte bei ihrer Kandidatur als Senatorin von sich aus einräumen müssen, am Pilotenspiel teilgenommen zu haben, meinte Kunzelmann weiter.
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