: Umweltsenatorin läßt Bauwirtschaft warten
■ Geschichten von feuchten Dächern und trockenen Finanzmodellen: Baugenossenschaften tourten mit Bausenator Nagel durch den Süden Berlins / Genossenschaften und Gemeinnützige bekommen vom Bausenator Grundstücke für „einige tausend Wohnungen“
Mit der peruanischen Hauptstadt hat der „Lima-Wohnhof“ in Kreuzberg nichts zu tun. Ihren Namen hat die als Halbkreis gebaute Wohnanlage nach den Anfangsbuchstaben von Linden und Markgrafenstraße, in deren spitzen Winkel der Wohnhof eingepaßt wurde. Südländisch mutet der Innenhof des 48 Wohnungen umfassenden Komplexes dennoch an; überdies war er gestern die erste Station einer Tour durch den „Süden“ Berlins, zu der der Verband Berliner Wohnungsbaugenossenschaften Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) geladen hatte.
Den Entwurf für den Lima-Wohnhof hatte der Amsterdamer Architekt Hermann Hertzberger geliefert; einige Bauarbeiten übernahmen die Bewohner selbst. Weil sie in Eigenarbeit Fassaden und Geländer gestrichen hatte, muß Petra Bosse heute für eine 100-Quadratmeter-Wohnung statt 770 nur 710 Mark Warmmiete bezahlen. Andererseits erduldet sie Lust und Frust der Selbstverwaltung.
Während die Mitglieder dieser jüngsten Genossenschaft Berlins - 1984 wurde sie gegründet - wenig Einfluß auf den Entwurf hatten und gerade mal die „Farbe der Fliesen aussuchen“ durften, ging die Mitbestimmung beim jüngsten Projekt der ältesten Berliner Baugenossenschaft (bbg) weiter. Am Ortolanweg in Britz plante Architekt Axel Gutzeit zwar die Hülle für das Selbsthilfeprojekt „Schnecke“, doch die künftigen Mieter konnten ihre Räume selbst „zuschneiden“, bevor sie Fliesen verlegten, Türen und Küchen montierten, Wände strichen und tapezierten. Die Wohnungsbaukreditanstalt übernahm die Förderung auch dann, wenn - beispielsweise ein Ehepaar aus den ihm zustehenden drei Räumen vier Zimmer machte - im durchbürokratisierten sozialen Wohnungsbau eine große Gnade. Die 93 Mietparteien löhnen dank „manueller und finanzieller Eigenleistungen“ im Schnitt statt 4,70 nur 3,80 Mark Miete pro Quadratmeter.
Daß es bei all diesen Projekten einen echten Anreiz gab, kostengünstig zu bauen, das fand Bausenator Nagel besonders bemerkenswert; denn Einsparungen kamen den Mietern zugute, nicht der WBK. Nagel will das genossenschaftliche Bauen nun „bauordnungsrechtlich etwas erleichtern“.
Schon vor vier Wochen, so Nagel über Nagel, habe er den Genossenschaften sowie den gemeinnützigen und städtischen Wohnungsbaugesellschaften eine Liste baureifer Grundstücke überstellt, die sie vom Senat pachten könnten. Die Liste sei lang genug, um „einige tausend“ Wohnungen zu bauen vorausgesetzt, die Bezirke hätten im Einzelfall keine Einwände. Finanzierungsmodelle hätten die Genossenschaften dank „ökonomischer Phantasie“ ja gefunden, meinte Nagel erfreut.
Dafür, daß die ökonomische Phantasie nicht ausreicht, konnten Dagmar und Ulrich Adamczyk in der Neuköllner Pintschallee als Beispiel dienen. Das Ehepaar, Mitglied in der Genossenschaft „Ideal“, hatte das Dachgeschoß über der Wohnung ausgebaut, um Platz für alle vier Kinder zu schaffen. Nachdem die Adamczyks lange und vergeblich nach einer größeren Wohnung gesucht hatten, nahmen sie die zwei Jahre Eigenarbeit auf sich. Dem Ehepaar fiel das deshalb noch einigermaßen leicht, weil beide Lehrer sind: Im Wechsel lassen sie sich für vier oder fünf Jahre vom Dienst beurlauben.
Mit einem neuen Projekt am Ortolanweg (120 Wohnungen, Baubeginn im Winter) will Gerd Öltjen von der Genossenschaft „1892“ nun etwas versuchen, „was wir von der IBA immer erwartet hatten“: gleichzeitig einfach und mit Qualität zu bauen. Unter der Überschrift „kommunikatives Wohnen“ entstehen glasüberdachte, große Innenhöfe - hier sollen sich die Nachbarn näherkommen. Zum Konzept gehören nicht nur die Räume für Gäste und „Gemeinschaft“, sondern auch die Ideen, die den Räumen Sinn geben könnten. So ist die Genossenschaft „im Gespräch“ mit der Selbsthilfegruppe „Offensives Altern“. Alte Menschen und alleinerziehende Mütter, hofft Öltjen, könnten einander helfen.
Auf dem sozialen Sektor sind die Genossenschaften trotz einer hundertjährigen Geschichte noch innovativ; die Frage nach ihrem ökologischen Einfallsreichtum warf der AL -Bauexperte Volker Härtig auf einer kurzen Abschlußdiskussion auf. Fred-Raimund Winkler von der bbg brachte Härtig damit erst mal in Rage. Ende Juni, so Winkler, hätten gemeinnützige und freie Wohnungsunternehmen Umweltsenatorin Schreyer zu einem Vortrag über ökologisches Bauen geladen. Doch die etwa 250 „Herren und Damen“, die „Creme der Bauwirtschaft“, sie hätten vergeblich gewartet: Wer trotz Zusage nicht erschien, war die Senatorin. Als sie nach einer knappen Stunde dann doch kam, da waren die vielbeschäftigten Herren und Damen „mit einer Träne im Knopfloch“ (Winkler) schon wieder gegangen.
Während Winkler deshalb den „Erfahrungsaustausch“ weiter missen muß, konnte Petra Bosse vom Lima-Wohnhof bereits eigene Erfahrungen aus der Praxis beisteuern. Eine Dachbegrünung sei bei ihnen vorerst an zwei Dingen gescheitert: zunächst am Widerstand des Architekten, dann an der fehlenden Förderung des Senats, der solche Arbeiten nur bei Altbauten mit Geld unterstütze. Nun soll es auf den Lima -Dächern trotzdem wuchern. Winklers Angst, das Grün könnte durchfeuchten, treibt Petra Bosse nicht: „Unser Dach war bereits undicht, ohne daß es eine Dachbegrünung gab.“
hmt
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