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„Wie ein Außenposten am Ende der Welt“

■ Das Protestcamp gegen den Grenzübergang Schichauweg ist nach sechs Wochen unbeachtet zusammengebrochen - noch stehen vier Zelte

Sechs Wochen Protestcamp - und keiner merkt was. Diese herbe Erfahrung machten die TeilnehmerInnen in Marienfelde. Unbemerkt von der Öffentlichkeit fand auch das Abschlußfest des Protestcamps gegen den geplanten Grenzübergang statt. Mitte Juni wurde das Camp mit großem Enthusismus und 30 Leuten begonnen. Jetzt ist nur noch Manfred R. (28) übrig, der die Zerstörung der Natur nicht zulassen will.

Anfang Juni hatte der Senat verkündet, daß der neue Autogrenzübergang für den Südtransit nicht - wie seit fünf Jahren im Gespräch - über den nahegelegenen Schichauweg führen soll. Die neue Idee verheißt eine vierspurige Autobahn entlang einer alten Industriebahnstrecke neben dem auf einem Hügel gelegenen Freizeitpark mitten durch eine Pferdekoppel und haarscharf an einem kleinen Wäldchen vorbei. An den Kragen gehen soll es den Laubenpiepern der „Kolonie Birkholz“. Rund ein Drittel der 130 Parzellen sollen dem Übergang zum Opfer fallen, für den Rest ist es dann mit der Idylle vorbei. Ein taghell erleuchteter Grenzübergang mit einem - vorsichtig geschätzten Autoaufkommen von 3.000 Autos pro Tag verspricht kaum Erholung.

Nach dem Senatsbeschluß wuchs das Protestcamp mit etlichen Zelten zwischen Freizeitpark und Laubenkolonie empor. Nur wenige der TeilnehmerInnen, überwiegend Mitglieder von „Robin Wood“ oder der BUND-Jugend (Bund für Umwelt- und Naturschutz), blieben ständig auf dem Platz. Die meisten konnten erst gegen Abend kommen. Nach und nach ist die Gruppe abgeschmolzen. Auch Lutz (22), Student und beim BUND aktiv, der von Anfang an dabei war, bleibt seit dem unausgesprochen „Abschiedsfete“ genannten Fest weg. Als Grund nennt er die „anfängliche Hoffnung, daß nach kurzer Zeit noch mehr dazukommen würden“, die sich aber nie erfüllt hätte. „Da jetzt nicht Baubeginn ist, hat das Camp nur symbolische Bedeutung. Es existiert eben keine Drohung, geräumt zu werden“, erklärt er sich den mangelnden Zuspruch. Umsonst sei die Aktion zwar nicht gewesen, den Zeitpunkt würde er aber nächstes Mal spektakulärer setzen, „vor dem Senatsbeschluß oder gleich zu Baubeginn“. So alleine sei er jedenfalls noch bei keiner Aktion dagestanden.

So einsames Demonstrieren kennt Manfred auch nicht, der seit acht Jahren aktives Umweltengagement treibt und von Gorleben, Wackersdorf und Kubat-Dreieck zu berichten weiß. Seine Jobberei richte er nach der aktuellen Lage ein, um „sofort dort zu sein, wenn's akut wird“. Er jedenfalls ist auch nach der Fete immer noch im Camp, das mittlerweile nur noch aus vier Zelten besteht. Anschaulich erklärt er anhand selbstmontierter Infotafeln, daß der Freizeitpark nebst Wäldchen die einzigen Grünflächen von Tempelhof und Marienfelde sind, ansonsten gäbe es nur noch Friedhöfe. Auf die AL ist er ziemlich sauer, hat er doch wie viele deren Parole vom „ökologischen Stadtumbau“ ernstgenommen. Gegen einen kleinen Grenzübergang für FußgängerInnen und RadfahrerInnen hätte niemand etwas einzuwenden, rechne er allerdings das Verkehrsaufkommen der nahen Motzener Straße hoch, dann „handelt es sich nicht um 3.000, sondern um mindestens 7.000 PKWs“.

„Verschaukelt“ fühlten sich auch die Laubenpieper: Bei diversen Begehungen vermieden es die Zuständigen möglichst, mit ihnen zu reden. Manfred kommt sich „manchmal wie ein Puffer vor“ mit seiner Mittlertätigkeit zwischen enttäuschten Kleingärtnern und AL, auf deren kritische Basis er noch Hoffnungen setzt. Er, der nie einer politischen Gruppe angehörte, versteht sich als „autonom“. Von den uninteressierten Autonomen mit Stammsitz Kreuzberg ist er jedoch ziemlich enttäuscht. Kein einziger habe den Weg ins Camp gefunden. „Die machen für sich ihren Scheiß in ihrem Bezirk, die sehen nicht die Umwelt, die Nachbarn.“ Hier seien „eben nur Feldhasen, keine Szenekneipen“. Trotzdem lädt er die Kreuzberger Autonomen ins Camp zum Urlaubmachen ein. Er sieht es als wichtig an, mit den normalen BürgerInnen zu diskutieren, die Leute aufzuklären, die in der Gegend spazierengehen. Oder eben mit den jungen Neonazis zu diskutieren, die den Park schon längst für ihre Wochenendgelage entdeckt haben und vor einiger Zeit auch im Camp Stunk machen wollten. Als Erfolg sieht Manfred das Protestcamp auf jeden Fall, auch wenn er sich manchmal „wie ein Außenposten am Ende der Welt“ fühlt. Über Demo und Flugblätter sei doch ein wenig regionale Öffentlichkeit entstanden, die Bürgerinitiative und die Laubenpieper würden das Camp gerne weiter vor Ort sehen. Manfred, der sich selbst nicht als Einzelkämpfer sieht, möchte noch ein paar Tage ausharren. Er hofft darauf, daß noch ein paar Leute vorbeischauen, sonst käme er sich „doch wie bestellt und nicht abgeholt“ vor.

Karin Figge

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