piwik no script img

„Lacrimosa dies illa„1

■ Wie die Preussen aus dem katholischen Münsterland Hertha und 10.351 Zuschauer Höllenqualen erleiden ließen / Trotzdem noch glücklicher 2:0-Sieg

Eine wahre Höllenglut herrschte im Olympiastadion. Trotzdem wagten über 10.000 Menschen den Weg dorthin, um die Saisonpremiere von Hertha BSC zu erleben. Inwieweit die Gäste aus dem katholischen Münster bei einer über- und untergeordneten Instanz um dieses Wetter gebeten hatten, war leider ebenso wenig feststellbar wie ein konstruktiver Ansatz von Fußballspiel bei den Preussen; aber trotz disziplinierten Mauerns der Gäste gelang es den Herthanern doch noch, den Ball zweimal ins Tor zu wurschteln; „te decet hymnus„2, wem auch immer.

Und dabei hatte es doch so schön angefangen. Neuzugang Aaltonen ließ das bisher etwas kopflose Spiel der Berliner viel durchdachter laufen, doch all die schönen Pässe und gelungenen Kombinationen hatten das gleiche Ergebnis wie im Vorjahr. Die Stürmer Kurtenbach und Gries standen zunächst vor der scheinbar unlösbaren Aufgabe, den Ball trotz bester Möglichkeiten im Tor unterzubringen.

Doch dann erhoben sich die „regis tremendae majestatis„3, gut getarnt in grünen Trikots, und übten sich im Ballhalten hinter der eigenen Mittellinie. Fast perfekt beherrschten die Müsteraner dieses teufliche Spiel und zerstörten alle Bemühungen der Berliner, wenigstens noch ein paar sehenswerte Angriffe zustande kommen zu lassen. Und wenn, dann trafen sie den Pfosten, wie Gries.

Doch nicht nur mit der immer stärker werdenden Nervosität und Verkrampfung mußten die Herthaner fertig werden, sondern auch mit dem Ausfall von Libero Greiser - bis dahin einer der Aktivsten - der mit einem Meniskusschaden wohl für längere Zeit ausfallen wird.

Durch den Destruktivfußball der Gäste wurde zur Abmachung: „Wer sich bewegt, hat verloren“, und, kaum zu glauben, die Preussen schienen damit Erfolg zu haben, doch „nihil inultum remanebit„4, die Münsteraner hatten wohl in der Kirche nicht zugehört, „cum resurget creatura„5, in Form von Kurtenbach, der in einer verknoteten Situation mit Torhüter Winter und Bremser als erster mit dem Fuß zuckte und aus einem halben Meter den Ball über die Linie schob.

Aber bei den Preussen wurde nicht gejammert. Diszipliniert spielten sie den sinnlos gewordenen Kick, bis zum bitteren Ende. Bei diesem erwies sich Schiedsrichter Albrecht als „fons pietatis„6, nachdem der frisch eingewechselte Rombach im Strafraum einen Schwächeanfall erlitt. Den geschenkten Elfmeter setzte Gries mit großer Mühe zum Endstand in die Maschen, gab den Zuschauern „requiem aeternam„7 und den Katholiken ein „quantus tremor est futurus„8 mit auf den Weg, wenn sie weiter so spielen sollten. - Und was die Gäste betrifft: „Kyrie eleison„9, laß sie weiter absteigen.

Sanctus Nicolaus

1 Tag der Tränen, Tag der Wehen; 2 Dir gebühret ein Loblied; 3 Könige schrecklicher Gewalten; 4 Nichts kann vor der Strafe flüchten; 5 Sich die Kreatur erheben; 6 Gnadenquell; 7 Ewige Ruhe; 8 Welch ein Graus wird sein und Zagen; 9 Herr, erbarme Dich unser.

Zitate aus: „Requiem, Kirchliche Totenmesse“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen