Wattwandern ins Gift

■ Nur 1.000 Meter vom Giftfrachter Oostzee wird an der Nordsee weiter Urlaub gemacht / s.S.17

Hinterm Deich herrscht keine Panik. Die Bürger der Gemeinden Kaiser-Wilhelm-Koog, Neufelder Koog und Neufeld im Kreis Dithmarschen bleiben gelassen, obwohl nur vier Kilometer entfernt der holländische Giftfrachter „Oostzee“ in der Elbe ankert. Seit einer Woche liegt das Schiff mit einer hochgiftigen Ladung auf der Neufelder Reede. Mindestens 120 Fässer mit der Chemikalie Epichlorhydrin sind demoliert, davon 20 mit Sicherheit leckgeschlagen.

„Die Ruhe entspricht ein bißchen der Dithmarscher Mentalität“, sagt Hinrich Kruse, Bürgermeister von Kaiser -Wilhelm-Koog. Nur wenige seiner Mitbür

ger hätten besorgt nach möglichen Gefahren gefragt. Auch bei Kruse selbst hat der 30köpfigen Krisenstab abend die anfängliche Furcht zerstreut. „Alle Experten, auch die von Greenpeace, haben versichert, daß für die Menschen hinterm Deich keine Gefahr besteht“, sagt er.

Sorgen macht sich Kruse vor allem um die Urlaubsgäste in seiner Gemeinde. „Die diskutieren natürlich über den Vorfall“, sagte der Bürgermeister, der selbst hier Gäste auf seinem Hof unterbringt. Aber bisher habe noch niemand die Koffer gepackt oder einen gebuchten Urlaub abgesagt.

Weitere Katastrophenmeldun

gen von der „Oostzee“ wären natürlich schlecht für das Tourismusgeschäft. „Rund 40.000 Übernachtungen haben wir jedes Jahr“, berichtet Kruse, der auch Chef des Fremdenverkehrsverbandes Marne und Marne-Land ist.

Ärgerlich über die Presse ist Hans Engel, Bürgermeister von Neufeld. „Die spielt das alles viel zu hoch“, beschwert Engel sich. Der Sorgen seiner Mitbürger hätte er sich in Einzelgesprächen angenommen und zerstreut. Viele Frager seien es nicht gewesen. Engels Meinung zur „Oostzee“ ist eindeutig: 'Das Ding muß weg möglichst schnell.“ Urlauber in Neufeld hätten bisher nicht das

Gespräch mit ihm gesucht. „Die Leute wollen einfach nur Ferien machen.“

Ein Problem scheint aber noch nicht gelöst zu sein: Wattwanderer können bis auf 1.000 Meter an das Schiff herangehen. „Wir wissen nicht, wie wir Schaulustige warnen können, wenn ungünstige Winde das Giftgas auf die Küste treiben sollten“, sagt Engel. Skepsis ist trotz Krisenstab geblieben. „Nein, zufrieden bin ich mit all dem nicht“, sagt Franz Unruh. Wer könne schon mit einem Frachter voller Gift vor dem Deich zufrieden sein. „Zwar ist bis jetzt noch nichts passiert, doch hoffen wir, daß das so bleibt.“

dpa