: Drachentöter
■ „Alles Theater“: Mit dem letzten „Tatort“ verschaffte der SFB Heinz Drache alias Kommissar Bülow einen der gräßlichsten Abgänge der deutschen Fernsehgeschichte
Zwei gute Nachrichten! Die beste zuerst: Heinz Drache hat vorgestern abend seinen letzten Tatort absolviert. Leider schon wieder als Kommissar Bülow und nicht als Opfer. Drache, der sich schon in den 50er Jahren in den albernen Edgar Wallace Verfilmungen seinen legendären Ruf als miesester deutscher Bullen-Darsteller erworben hatte, hat seitdem versucht, Schauspieler werden. Sein Ziel, der Typ hat Träume, ist TV-Star. Leider hat Herr Drache null Talent, was sage ich Null? Sein darstellerisches Können geht schon in den Minusbereich. Es hätte selbst beim Deutschen Fernsehen nicht mal zum Statisten reichen dürfen. Aber olle Drache hatte Glück, die Öffentlich-Rechtlichen haben nichts gemerkt. Das verblüfft natürlich keinen gestanden Vielglotzer; wir sind ganz anderer Hämmer gewöhnt. Sie ließen also Silberpappel Drache Folge für Folge in langweiligen Geschichten im spannenden Berlin an den verschiedensten Tatorten dumpf herum tapsen. Jaja, die subtilen Foltermethoden des SFB. Sie müssen den armen Mimen wirklich gehaßt haben. Denn der Mann, mit dem Aussehen eines von Blähungen geplagten kleinstädtischen Oberlehrers kann nicht mal einen Raum betreten, ohne das es gekünstelt, theatralisch völlig übertrieben wirkt. Aber immer schick im grauen Anzug und auf den schmalen Lippen das blöde Grinsen eines vorzeitlichen Höhlenbewohners. Über seine Monologe schreibe ich hier lieber nichts, denn dann müßte ich wirklich gemein werden.
Irgendwann ging etwas schief. Einige Kritiker bemerkten, zunächst noch sehr zaghaft, daß dieser ältere Herr, der uns als Kommissar verkauft werden sollte, eine Mogelpackung war. Die ARD schien aufzuhorchen. Ihre Vorstellung, daß das deutsche Fernsehpublikum nur aus debilen Rentnern und jugendlichen Halbidioten, die sich jeden Abend vor der Glotze besaufen, besteht, bekam ein paar feine Haarrisse. Als die verfluchten Kritiker es wagten, ein paar schärfe Töne in ihre Artikel einzustreuen, wachte auch das Objekt der Anfeindung auf - und drehte den Spieß um. Vor seiner letzten Krimi-Folge ließ Heinz Drache über die Boulevard -Presse verbreiten: „Es ist der schlimmste Tatort, den ich gedreht habe, ich habe ihn mir nach der Fertigstellung nicht mal angeschaut.“ Das macht uns den Episodenschauspieler schon wieder sympathisch. Aber er hat's noch dicker: „Zum Glück ist Schluß. Die Drehbücher, die man mir vorlegte, wurden immer schlechter.“ Mißbrauchte, geschundene Kreatur. Doch mit den Drehbüchern hat er hundertprozentig recht!
Das Buch zum letzten Tatort-Flop hat Knut Bueser verbrochen. Eiskalter Kaffee. Kommissar sitzt im Parkett und wird Zeuge, wie aus dem Spiel auf der Bühne blutiger Ernst wird. Die Story mit dem geladenen Theaterrevolver ist fast so alt wie die Geschichte des Kriminalromans selbst. Als erste verwendete die Neuseeländerin Ngaio Marsh den Plot 1935 in ihrem Krimi Enter a Murderer (dt. Ein Schuß im Theater). Nun wird Herr Bueser einwenden können, daß Diebstahl schließlich die Basis der deutschen Unterhaltungskultur ist. Und da müssen wir ihm natürlich recht geben. Aber dann sollte der einfaltslose Schreiberling doch bitteschön soviel Grips aufwenden, um spannende, aufregende Ideen zu klauen. Ngaio Marsh, mein Gott, die Lady war schon zu ihren kreativsten Zeiten ein Schlafmittel ohne Nebenwirkungen.
Die zweite gute Nachricht zum Schluß: Ab September wird Günter Lamprecht als Kommissar Markowitz die Nachfolge von Heinz Drache antreten. Bei dem Mann habe ich nicht die geringsten Bedenken. Das ist ein Schauspieler. Ihm traue ich zu, daß er allein durch seine Präsenz auf der Mattscheibe auch dünnen Stories Leben einhauchen kann.
Karl Wegmann
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