Wenn ein Beamter freiwillig mehr arbeiten will...

■ Senatsschulverwaltung weiß nicht, wie sie den Vorschlag der Senatorin, daß Schulräte auch selbst unterrichten, umsetzen soll / Ausbildungsordnung sieht die Arbeit vor Ort nicht vor / Ein williger Beamter macht den Senatsjuristen Kopfzerbrechen

Was einem passieren kann, wenn man im öffentlichen Dienst beschäftigt ist und freiwillig mehr arbeiten will als unbedingt nötig, erfuhr jetzt der Leiter eines schulpraktischen Seminars im Berliner Norden, Herr H.

Herr H. möchte gerne im neuen Schuljahr nicht nur junge Lehrerinnen und Lehrer ausbilden, sondern selbst wieder vier Stunden in der Woche - Kinder unterrichten. Freiwillig und ohne zusätzliche Bezahlung will er das tun, ganz im Sinne eines Vorschlags von AL-Schulsenatorin Sibylle Volkholz. Herr H. stellte also einen entsprechenden Antrag in der festen Vorstellung, es handle sich um eine reine Formalität. Doch inzwischen beschäftigt sein „Fall“ seit zwei Monaten mehrere Abteilungen der Schulverwaltung, und eine Lösung ist nicht in Sicht.

Schon im April hatte die Schulsenatorin die Idee, Schulräte und Seminarleiter könnten freiwillig und unentgeldlich bis zu vier Stunden pro Woche unterrichten. Auf diese Weise, so hoffte Sibylle Volkholz schlitzohrig, könnte sie einen Teil der fehlenden Lehrerstellen ausgleichen. Pädagogisch hält sie es sowieso für sinnvoll, daß diejenigen, die Lehrer beurteilen und ausbilden, auch den täglichen Streß im Klassenzimmer kennen. Auch Herr H. fand die Idee gut und wandte sich deshalb an seinen zuständigen Schulrat. Ab September, so schrieb er, wolle er Deutsch unterrichten. Eine Schule in Wedding hatte er sich schon ausgesucht.

Doch so leicht darf einer im öffentlichen Dienst nicht gratis Überstunden machen. Die Antwort des Schulrats war ein entschiedenes Nein. Es gehöre nicht zu den Aufgaben eines Seminarleiters zu unterrichten, schrieb er an Herrn H., deshalb gehe das nicht. Doch Herr H. gab sich damit nicht zufrieden. Noch im Juni wandte er sich an Senatorin Volkholz und erinnerte an ihren Vorschlag - ganz simpel.

Doch damit setzte Herr H. die Mühlen der Verwaltung in Gang. Der „Vorgang H.“ ging zur Prüfung an verschiedene Abteilungen der Schulbehörde und wanderte die Hierarchie rauf und wieder runter. Vor allem den Juristen in der Bredtschneider Straße machte der unkonventionelle Arbeitswunsch Kopfzerbrechen. Wenn Herr H. zusätzlich in einer Schule arbeitet, meinten sie zunächst, müsse er einen Antrag auf Nebentätigkeit stellen. Dann müsse entschieden werden, wer ihm diese vergütet. Doch dieses Problem stellte sich schnell als gegenstandslos heraus, denn Herr H. will für seine Arbeit gar kein Geld.

Vier Stunden Unterricht plus vier Stunden Vorbereitung innerhalb seiner normalen Arbeitszeit aber würden bald den für Personalstellen zuständigen Innensenator auf den Plan rufen, wird im Hause Volkholz befürchtet. Denn der muß sich dann fragen: War der Mann bislang unterbeschäftigt? Diese Frage könne man dann nur bejahen. Das aber würde den obersten Dienstherrn sofort veranlassen zu glauben, auch andere hätten zu wenig zu tun. Das Ergebnis: Stellenstreichungen.

Ergo, so der logische Schluß, kann Herr H. den Deutschunterricht nur dann abhalten, wenn sein übriges Arbeitskontingent reduziert wird. Ein findiger Sachbearbeiter kam auf folgende Idee: Die Ausbildungsordnung sieht vor, daß in einem Kurs des Lehrerseminars nicht mehr als 40 Studenten ausgebildet werden sollen. Gäbe man jetzt HerrnH. einen Kurs mit nur 32 Studenten, reduziere sich seine Arbeit um ein Fünftel. Dieses Fünftel könnte er dann in einem Klassenzimmer absolvieren. Doch auch diese spitzfindige Lösung für die Arbeitswut von Herrn H. wurde von der Rechtsabteilung des Hauses verworfen. Vorläufiges Fazit: Daß Schulräte und Seminarleiter Kinder unterrichten, sei in der Ausbildungsordnung nicht „vorgesehen“ also auch nicht „zulässig“. Herr H. darf nicht in die Schule.

Für die Verwaltung war damit die Sache erledigt, nicht aber für Staatssekretär Kuhn. Der legte jetzt die Ausbildungsordnung auf seine Weise aus. Daß Herr H. unterrichten kann, sei zwar von der Ausbildungsordnung nicht „geregelt“, aber auch nicht „verboten“. Also, gab er seiner Verwaltung erneut die Hausaufgabe, sie solle einen Weg finden, wie dem Mann und seiner Senatorin geholfen werden kann.

bf