Pilotin Klein-betr.: Interview mit "Mister Kunzelmann" über Anne Klein, taz vom 28.7.89

Betr.: Interview von plu am 28.7. mit „Mister Kunzelmann“ über Anne Klein

Dazu läßt sich sagen, daß es verdammt leicht ist, über jemand anderen den Stab zu brechen.

Mister Kunzelmann: „Pokern, das habe ich im Knast gelernt.“

Und das wird's auch schon gewesen sein, was man hier drinnen gelernt hat. Anstatt den Rücken zu stärken und demjenigen zur Seite zu stehen, wird er aus dem Sattel in den Dreck gezogen. Ich find's einfach voll Scheiße, was da in den eigenen Reihen abgeht.

Die CDU und die 'BZ‘ ziehn die Karre in den Dreck, und die eigenen und ehemaligen Leute helfen schieben. Das ist Verrat an der eigenen Partei. Und was das Pokern angeht, Mister Kunzelmann, so ist Pokern ein reines Glücksspiel. Glücksspiele sind hier im Knast verboten und können sogar mit Arrest belegt werden.

Sollte es sein, und ich treffe Dich hier drinnen einmal und erlebe Dich beim Pokern, so sei Dir gewiß, Mister Kunzelmann, ich werde dafür sorgen, daß Du in den Arrest gehst. Denn so wie Du anderen, andere Dir - alles klar?

Peace forever!

Klaus Meißner, JVA Tegel

Betr.: dito, taz v. 31.7.

Abstoßend!

O Himmel, diese Heuchelei der ALerInnen ist ja zum Erbrechen! Ich bin sicher, daß in gewissen Kreisen ebenfalls Mitglieder der AL sich an diesem Spiel beteiligt haben.

Und wer kann Frau Klein unterstellen, daß sie genau wußte, daß sie gewinnen würde? Jedes System hat seine heimlichen und unheimlichen Verführungen. Sicher, bei jedem Spiel will man gewinnen, und manchmal vergißt man auch nach dem Spiel, um was es eigentlich ging. Aber auch das Risiko trage ich selber. Die Liebe ist ein Spiel, bis zu einem gewissen Grad, und das Leben ist ein Risiko, wäre es nicht so, wäre es so langweilig, kleinkariert und einfältig wie Eure Moral. Am besten, Ihr verbietet das Rauchen, das Trinken, das Autofahren (außer Euch selber) und wenn Ihr nicht das Bumsen auch noch verbietet, liebt Euch.

Macht also weiter, bei jedem Schlag auf den Putz bekommt das scheinheilige Gesicht Konturen, daß uns einiges über das Innenleben dieser Gemeinschaft aufzeigt.

Andrea Kupkow, 1-21

Betr.: dito

Liebe tazla,

wenn ick als Parteilosa ooch mal wat sagen dürfte:

Würden all die bewußt lasch und die nich uffjeklärten Kriminalaffären, bejangen von der damaligen Diepgen-Beton -Mafia, gemeinsam aufsteigen, so wäre noch heute der Horizont über Berlin verdunkelt.

Damals schrie keine Springer-Presse: Der Diepgen-Senat muß weg. Berlin muß von Korruption freibleiben. Weder der SFB noch andere Sender prangerten die Diepgen-Beton-Riege an. Da flossen Hunderttausende von Bestechungsgeldern und sonstige „Aufmerksamkeiten“ in die Taschen von CDU/FDP-Senats -Amtspersonen in Schlüsselpositionen. Da nahm sogar der Regierende Bürgermeister Diepgen nicht unerhebliche Gelder von Baulöwen-Profit-Haien persönlich an. Um Millionen -Beträge wurde unser gemeinsam gehörender Steuersack betrogen. (...) Doch nun gibt es in Berlin den Momper-Senat, rot-grün. (...) Und schon tobt die Springer-Presse: „Neuer Berlin-Skandal! Die rote Zockerin Anne Klein - eine AL -Senatorin“. Dann eine weitere Frau aus dem Kultursenat, Frau Alice Frank. Sie wollte auf amtlichem Schreibpapier Eindruck schinden. Die CDU-Mafia-Köpfe lassen diese Frauen über die Springer-Presse wie Kriminelle vorführen. Je schmieriger, desto besser - glauben sie. Ein paar dumme Berliner, die das glauben, gibt es immer. Sie „schlagen“ diese Frauen, um Momper zur Aufgabe zu zwingen. Vergessen ist das Diepgen-CDU-Verbrechernest. Doch nicht unter uns Berlinern! Momper hat keine Veranlassung zu kapitulieren. Die zwei Frauen haben nichts Verbrecherisches zum Schaden unserer Stadt getan! Doch wohl eher die Diepgen-Beton-Riege, die heute noch Steine klopfen müßte!! (...)

Wenn nun Anne Klein vor zwei Jahren sich auf ein so dubioses Pilotenspiel eingelassen hat: Nun ja, mit 3.000 Mark müssen arme Leute lange auskommen. Vielleicht denkt sie heute besser darüber nach. Und wenn die Alice F. aus dem Kulturbereich glaubt, auf Senatspapier eher eine Wohnung zu bekommen, und winkt noch mit einer gewillt zu bezahlenden Miete in Höhe von 1.500 Mark im Monat, dann hat sie wohl vergessen, daß ärmere Mitbürger locker keine 1.500 Mark für ein Dach über dem Kopf bieten können. Sie hat sich bewußt oder unbewußt ganz nach dem System der Wohnungsmafia verhalten. Hier ist heute noch Wohnung eine Ware. Vielleicht schüttet ihre „Chefin“ ihr einen Aufklärungs-„Martini“ ein, oder der Herr Momper. Denn auch die SPD, so glaube ich, ist gegen zu hohe Mieten! Sie sollten nachhaltig bekämpft werden! Man winkt nicht mit einer hohen Mietzahlung im Angesicht der Wohnungsnot. Berlin braucht Rot-Grün und umgekehrt.

Det war's, wat ick sagen wollte.

Euer Leser aus dem Märkischen Viertel, R.U.

Betr.: dito

Es ist nicht dasselbe, wenn Senatorin Klein 10.000 Mark oder wieviel auch immer von ihren MitspielerInnen abzockt und wenn der Regierende Bürgermeister Diepgen 50.000 Mark in einem offenen Kuvert entgegennimmt. Was Klein getan hat, ist schlimmer. Sie hat den Schotter für sich behalten und „einige kleinere Spenden“ zur Beruhigung ihres Gewissens gemeinnützigen Zwecken zukommen lassen. Diepgen dagegen hat nichts für sich behalten, sondern alles an seine Partei abgeführt. (...)

D.Kunzelmann, der ja wegen mangelnder Mittelmäßigkeit nur eine Randexistenz in der AL fristet, hat es wieder einmal mit wenigen Sätzen vollständig erfaßt: Dummheiten und Fehler begeht jeder Mensch, doch es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Mann und auch Frau kann nicht selbst etwas verheimlichen und herunterspielen und anderen Verheimlichung und Herunterspielen vorwerfen. Wenn man sich in eine führende Stellung im herkömmlichen System begibt, muß man damit rechnen, mit herkömmlichen Mitteln angegriffen zu werden - so wie hier mit einer hervorragend geplanten, treffsicheren Rufmordkampagne, die genau das erreicht, was sie soll: die Fronten verwirren. Daß Frau Helwerth sich mit Frau Klein solidarisiert, ehrt sie - muß sie ja auch, als Frauenredakteurin. Aber das ändert nichts daran: Wenn Senatorin Klein nicht sofort von ihrem Posten zurücktritt, verhält sie sich um nichts anders als Senator Kewenig und Senator Vetter und all die anderen - trotz aller Unterschiede.

Der Fall der Pressereferentin Alice Frank macht wiederum den Stil- und Niveauunterschied deutlich: Bei CDU/FDP würde man Cleverness hinter so viel Unverfrorenheit vermuten, doch hier beschleicht mich der Verdacht, daß sie es ehrlich meint, daß sie wirklich so maßlos dämlich ist. Und Kirchner ist wirklich süß: Hält ihr eine Standpauke, anstatt ihr zwei Stunden Zeit zu geben, ihr Rücktrittsgesuch zu formulieren. Vielleicht sollte man einigen Leute mal klarmachen, daß der Berliner Senat keine Groß-WG ist.

Weiterhin gute Unterhaltung wünscht sich

Miklos Verres

Betr.: dito

(...) Das Pilotenspiel ist kein Glücksspiel, nicht einmal ein Spiel. Es ist ein Lehrstück für Umverteilungsprozesse in der kapitalistischen Gesellschaft. Mehr nicht. Deshalb verzichtet die Staatsanwaltschaft auf die Verfolgung der Teilnehmer, einen Straftatbestand „Dummheit“ gibt es nicht.

Wenn Anne Klein „Pilotin“ war, dann ist sie als Senatorin für Frauen, Jugend, Familie und gleichgeschlechtliche Lebensformen nicht tragbar und kann gehen. Sie muß dann unbedingt über Fragen der Emanzipation, Selbstbestimmung, Autorität, Solidarität nachdenken.

Im Amt bleiben könnte sie, wenn sie bereit ist:

-72.000 Mark aus ihrer Pilotenkasse an ein Frauenprojekt zu spenden;

-eine öffentliche Veranstaltung mit dem Thema „Wie frau von Reichen Geld für soziale Projekte ergaunert“ macht; oder

-wenn sie eindeutig nachweisen kann, daß ihr Pilotengeld ausschließlich von Typen stammt.

Mit liebem Gruß

Eberhard Mutscheller, AL-Mitglied