DER DOPPELTE ALFRED

■ Schwänzt Hrdlicka die Hochschule?

Das Ganze wird schlimm enden“, teilt er jetzt am Telefon mit. Das habe er dem damaligen Kulturdezernenten schon vor einem Jahr geweissagt. Und nun scheint es in der Tat soweit zu sein.

Der Sachverhalt: Der nicht eben ärgernisscheue Wiener Bildhauer Alfred Hrdlicka ist seit dem vergangenen Wintersemester Professor am Fachbereich 1 der HdK, hat aber, wie seine Studenten beklagen, schon im Winter keinen ordentlichen Unterricht gehalten. Für den Sommer hatte er in einem Gespräch mit der HdK Besserung gelobt, ward aber, laut HdK, nur ein einziges Mal gesichtet. Nun hat Ulrich Roloff -Momin, Präsident der HdK, dem Wiener Künstler geschrieben, daß er dessen Unterrichtsauffassung mangelhaft findet: „Ich glaube, es dient Ihnen und uns am besten, wenn Sie die Lehrverpflichtung in Wien voll übernehmen und aus dem Hochschullehrerdienst in Berlin ausscheiden.“

Da „das Ganze“ auch noch mit Geld zu tun hat (200.000 DM Jahresgehalt plus eine extra eingerichtete Werkstatt) - mit Honorarforderungen ist Hrdlicka selten schüchtern -, ist der öffentliche Ärger gewiß. Für Künstler ist halt immer noch Bescheidenheit, wenn nicht gar Armut moralisch vorgesehen. Und die Verwirrung scheint perfekt. Denn Roloffs Aufforderung unterstellt eine jener prominentenberüchtigten Doppelprofessuren.

Für die Wiener Hochschule für Angewandte Kunst erläutert Dr.Adamik, wie er die Sache sieht. Von Spagatunterricht ein Bein in Berlin, eines in Wien - kann keine Rede sein. Zwar sei Herr Hrdlicka „am 1.Jänner 88 zum Ordinarius berufen“. Aber Geld habe er da noch nicht bezogen. Ein Unterrichtsvertrag existiere erst seit dem 1.März 89. Seitdem zahlt die Hochschule. Daß Hrdlicka trotzdem nicht unterrichte, sei allerdings nicht sein Verschulden, sondern liege an „räumlichen Problemen der Hochschule“. Am 1.Oktober werden die beseitigt sein, und Herr Hrdlicka werde dann „seinen Dienst antreten“. Auf die Frage, was er denn von Mehrfachverpflichtungen halte, sagt Herr Adamik: „Mit Gastprofessuren haben wir keine Probleme, nur mit Doppelordinariaten.“

Ist er denn nun Gastprofessor in Berlin oder ein ordentlicher Doppelter? Gelassen und ein bißchen wie mit hochgezogener Augenbraue sagt Hrdlicka auf diese Fragezumutung am Telefon, „natürlich“ habe er eine „ordentliche Professur“. Und überhaupt ist das Ganze noch wieder anders; nämlich eigentlich eine „Schlacht um Sailer“. Hans Sailer ist Hrdlickas „langjähriger Mitarbeiter“. Assistent, wie es in den Zeitungen heiße, sei ein „viel zu niedriges Wort“. Denn der Sailer sei ein ganz außerordentlicher Mann, was offenbar unmittelbar aus der Tatsache ersichtlich werden soll, daß er „sechs DDR -Künstlern hier Stipendien beschafft“ hat. Er, Hrdlicka, habe schon damals vor Unterschrift des Vertrages mit Berlin gesagt: „Entweder mit ihm oder ohne mich!“ Er hat dann, als Berlin feststand, sofort in Stuttgart gekündigt. Allerdings nicht, ohne sein Sailer-Junktim nochmal ganz deutlich zu machen. „Lieber Präsident - in Wien sagt man so - lieber Präsident, hab ich gesagt, wenn ihr den abschießt, schießt ihr mich ab!“ Punktum.

Es hat sich dann anfangs, laut Hrdlicka, alles sehr gut angelassen. Die Studenten mochten Sailer und vice versa. Daß Sailer den Unterricht quasi in effigie hielt und nicht er selber, findet er eigentlich unwichtig. „Wie ich unterrichte, ist meine Sache.“ Leider haben sich Schüler und Assistent dann völlig zerstritten. „Und wenn Schüler aus meiner Klasse austreten, ist das ihr Recht, denn es gibt Lehr- und Lernfreiheit.“ Zu Wien möchte er klarstellen: Die Wiener hatten versprochen, alles so einzurichten, wie er es sich wünschte; damit, daß sie bis jetzt noch nicht fertig seien, habe er nichts zu schaffen. Er stellt halt andere Bedingungen, sagt er, denn er hat andere Vorstellungen von Kunst. „Ich lehne den Kunstbetrieb ab, das wissen Sie, und das weiß ich.“ Er umwickelt nicht ein Stück Draht mit drei Bandagen, und fertig ist das Kunstwerk. Er macht - und das Wort zelebriert er selber wie ein Leuchtbuchstabenkunstwerk

-„Steinbildhauerei“. Steinkunst und Raum gehen da offenbar diffizile Neuverbindungen ein: Ist der eine teuer, wird die andere gut!

Ob er denn in Zukunft beide Lehrstühle besetzen wolle. „Das weiß ich noch nicht“, sagt er fast freundlich, als sei das eine Angelegenheit von psychischen Befindlichkeiten, und die lassen sich ja bekanntlich nicht voraussehen. Ebensowenig weiß er, ob er Roloff-Momins Brief überhaupt beantworten wird. Den hat er nämlich erst vor anderthalb Stunden erhalten und nur überflogen, bzw. „meine Frau hat mir Passagen vorgelesen“. Wie und wann das „schlimme Ende“ nun eintritt, ist also offen. Ob die endliche Schlimmität von des Bildhauers Affäre mit Berlin womöglich in ihrer Endlosigkeit besteht - keiner weiß es. Die Hochschule der Künste bzw. Herr Abramowski, der persönliche Referent des Präsidenten, jedenfalls äußert bislang eher einwandfreie Unverbindlichkeiten. Wichtig sei, „daß der Dialog mit den Studenten funktioniert; dazu ist eine kontinuierliche Anwesenheit nötig, in welchem Zeitabstand und wie konfliktreich auch immer. Letztendlich ist Herr Hrdlicka für seinen Unterricht verantwortlich“. Auch wenn er unterrichten läßt. Und die Objekte dieser professoralen Vernachlässigung? Die Studenten, dialogpflichtig, aber nicht willig, die sind wegen Semesterferien nicht zu erreichen.

Vielleicht diente es ihnen, jenen und uns am besten, wenn der Künstler mangels Klasse hier und Räumlichkeiten dort sich wieder ganz aufs Künstlern würfe. Denn hauen kann er, der Herr Hrdlicka..., die Bilder in Stein.

Christel Dormagen