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Eine Million Kinder fürs Sexgeschäft mißbraucht

Kinderhandel weltweit ist die moderne Sklaverei / Mindestens eine Million „Drittweltkinder“ werden jährlich zu Prostitution und Pornographie gezwungen  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Mindestens eine Million Kinder aus „Drittweltländern“ werden jährlich zur Prostitution und zur Herstellung pornographischer Filme und Schriften gezwungen. Sie sind Opfer zumeist männlicher westeuropäischer, US-amerikanischer oder japanischer Touristen in ihren Heimatländern oder sie werden in diese Industriestaaten „verkauft“. Diese Angaben machte die norwegische Justizministerin Helen Boesterud gestern in Genf vor dem Ausschuß: „Moderne Formen der Sklaverei“ der UNO-Menschenrechtskommission.

Die Zahl eine Million sei „nur die Spitze eines Eisberges“, erklärte Frau Boesterud. Um die Dimension des „bislang völlig unterschätzten und verharmlosten Problems“ deutlich zu machen, hat das norwegische Justizministerium alle bis Ende 1988 verfügbaren Daten und Informationen von Regierungen und unabhängigen Organisationen zahlreicher Länder ausgewertet und in einer Studie über die „Sexuelle Ausbeutung von Kindern in Entwicklungsländern“ zusammengefaßt. Laut Studie werden Kinder vor allem aus Lateinamerika, Südostasien und Westafrika nach Westeuropa, die USA und in den Nahen Osten verkauft. Außerdem bestehe ein „regionaler Markt in der arabischen Region“.

Allein in Paris würden „3.000 Mädchen und 5.000 Jungen aus Drittweltländern“ zur Prostitution und Pornographie mißbraucht. In Asien machen Kinder unter 15 Jahren rund 20 Prozent aller weiblichen und männlichen Prostituierten aus. In den Philippinen und Thailand gibt es jeweils rund 20.000 Prostituierte unter 15, in Indien zwei- bis dreihunderttausend. Jährlich werden hier zwischen fünf - und zehntausend Kinder für die Prostitution „rekrutiert“.

Die Anwesenheit ausländischen Militärs ist einer der Hauptfaktoren, die den sexuellen Mißbrauch von Kindern begünstigen. Die Studie belegt dies am Beispiel der siebten US-Flotte im Pazifik und vor allem der großen US -Militärbasis Subic Bay auf den Phillipinen. Auch im - vor allem auch von bundesdeutschen Sextouristen stark frequentierten - Touristengebiet Pagsanjan, südlich von Manila sind Kinder zunehmend Opfer des Mißbrauchs. Die „als 'Machismo‘ beschriebene extrem männliche Dominanz der kulturen Lateinamerikas“ biete ebenfalls ein „günstiges Umfeld für die sexuelle Ausbeutung von Kindern“, heißt es in der Studie.

Ministerin Boesterud wies darauf hin, daß das Problem auch in den industrialisierten Ländern des Nordens in „weit stärkerem Ausmaß existiert, als bislang wahrgenommen wird“. Laut einer norwegischen Studie wurden über 14 Prozent der Bevölkerung des skandinavischen Landes vor dem 18. Lebensjahr sexuell mißbraucht. Fortsetzung Seite 2

Boesterud zitierte Untersuchungen mit ähnlichen Ergebnissen aus Dänemark, Schweden und Großbritannien.

Als Frau Boesterud ihre Initiative zur Bekämpfung dieses „schlimmsten Verbrechens“ vor mehr als drei Jahren startete, stieß sie zunächst auf „Unverständnis - vor allem bei den männlichen Kollegen“ unter den Justizministern der Mitgliedsstaaten des Europarates. Diesem liegt die Studie inzwischen vor. Doch die harten Informationen habe „die Einstellungen allmählich verändert“. Doch von einem verbindlichen Konsens über Gegenmaßnah

men, die tatsächlich etwas bewirken können, ist der Europarat noch weit entfernt. Die Erkenntnis, daß das ganze Problem „vor allem eine ökonomische Dimension hat“ und die zumeist aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Kindern und ihre Familien „im Vorfeld unterstützt werden müssen“, bleibt bislang ohne konkrete Folgen. Und die Bestimmung des norwegischen Strafgesetzbuches, wonach im September zum ersten Mal ein Verfahren gegen zwei norwegische Sextouristen wegen Mißbrauchs einer Minderjährigen in Thailand eröffnet werden kann, ist bislang auch einsames Beispiel in Europa.

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