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Lücke im Fusionsrecht

■ Bundeskartellamt sieht nach erster Prüfung keine Handhabe gegen Konzerneinstieg beim 'Volksblatt‘ / „Fruchtbare Kooperation“ läßt auf sich warten

Das Bundeskartellamt sieht keinen Grund, die Beteiligung des Springer-Konzerns am 'Volksblatt Berlin‘ nachträglich zu untersagen. Eine noch nicht endgültig abgeschlossene Überprüfung der Verträge hat bisher ergeben, daß der Einfluß des Springer-Verlages nicht die Grenze der Kapitalbeteiligung von 24,9 Prozent überschreitet, wie Kartellamtssprecher Hubertus Schön jetzt auf Anfrage mitteilte. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Wettbewerbshüter auf ihrer Suche nach darüber hinausgehenden Mitwirkungsrechten vertraglicher oder sonstiger Art Erfolg haben und eingreifen könnten, werden „immer geringer“.

Auf Basis des geltenden Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen kann die Bundesbehörde grundsätzlich erst dann eine Beteiligung untersagen, wenn die „kritische Grenze“ von 25 Prozent überschritten wird. Gerade im konkreten Fall sei dies zu bedauern, sagte der Sprecher. Springer habe eine Lücke im Fusionsrecht genutzt, die der Bonner Gesetzgeber momentan schließen wolle. Schon zu Beginn des nächsten Jahres solle eine Kartellgesetznovelle wirksam werden, mit der eine Unternehmensbeteiligung verboten werden könne, „wenn mit ihr ein wettbewerblicher Einfluß verbunden ist“. Schön: „Davon wird wohl immer auszugehen sein, wenn sich ein Unternehmen an einem Wettbewerber beteiligt - zumindest insofern, als man sich in Zukunft einen so wahnsinnigen Wettbewerb nicht mehr liefern wird. Nach der Novelle wäre die Transaktion Springer - 'Volksblatt‘ mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich gewesen.“

Unterdessen hat der im Mai erfolgte Einstieg der Axel Springer AG bei dem Familienunternehmen 'Volksblatt‘ nach den Beobachtungen der MitarbeiterInnen bis heute „weder positiv noch negativ“ etwas verändert. Ein Lokalredakteur: „Redaktionell hat die Beteiligung überhaupt noch keinen Einfluß gehabt. Ab und zu laufen hier nur Leute durch, die feststellen, daß wir dringend mehr Bildschirmgeräte brauchen.“ Die als ein Ziel der Partnerschaft mit dem Verlagshaus Springer genannte „fruchtbare Kooperation im Verlagsbereich und in der Technik“ erschöpft sich nach gut zwei Monaten darin, daß die 'Volksblatt'-Abonnenten außerhalb Spandaus ihr Blatt nicht mehr von ZustellerInnen des unabhängigen 'Tagesspiegel‘, sondern von denen des Springerschen Konkurrenzorgans 'Morgenpost‘ mitgeliefert bekommen. Über Investitionen in der Drucktechnik sei noch nicht entschieden, so der 'Volksblatt'-Mitgesellschafter und Mitgeschäftsführer Rainer Lezinsky. „Es ist ja nicht so, wie viele sich das vorgestellt haben, daß wir die Hand aufhalten und das Geld aus der Kochstraße reinfließt - die Maschine müssen wir selber bezahlen“, meint er.

Den Angaben des 'Volksblatt'-Geschäftsführers zufolge blieb die Auflage des Spandauer Blattes nach dem Springer-Einstieg mit täglich durchschnittlich um die 30.000 verkauften Exemplaren gleich. Insgesamt 170 LeserInnen hätten wegen der Beteiligung spontan ihr Abo gekündigt.

thok

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