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Mangel an Sachverstand

Prof. U. Immenga trat als Chef der Monopolkommission zurück wegen ihrer Zustimmung zur Fusion Daimler-MBB  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Immenga, wären Sie denn bei jeder Abstimmungsniederlage zurückgetreten, oder war dies ein besonderer Fall?

Immenga: Ich will ganz deutlich sagen: Ich trete nicht zurück, weil ich überstimmt worden bin, sondern weil sich hier grundsätzliche Meinungsunterschiede aufgetan haben über das Verhältnis von Wettbewerbs- und Industriepolitik oder Wettbewerbspolitik und wirtschaftlicher Macht. Wir sind früher immer eingetreten für wettbewerbspolitisch unbequeme Wahrheiten und für ordnungspolitische Gradlinigkeit. Wenn das künftig nicht mehr gegeben ist - was ich aufgrund der Diskussionen befürchten muß und der Ergebnisse des Gutachtens - dann muß ich zurücktreten. Nicht etwa weil ich in der Minderheit bin.

Ist die Kommission denn falsch zusammengesetzt?

Sie ist mittlerweile anders zusammengesetzt. Bis auf meine Person sind alle anderen vier Mitglieder in den letzten drei Jahren neu hinzugekommen, auch wenn die Aufteilung - ein Ökonom, ein Jurist und drei aus der Praxis - unverändert ist.

Man geht ja mittlerweile davon aus, daß Bonn die Rüstungskonkurrenz des künftigen Mammutkonzerns dadurch befriedet, daß man ihr sichere Zusatzaufträge erteilt. Ist es da nicht bemerkenswert, wenn mit dem Arbeitsdirektor von Thyssen, Winfried Haastert, ein Angehöriger der Rüstungskonkurrenz mit in der Kommission sitzt, und andererseits erklärlich, daß er als einziger die Fusion uneingeschränkt befürwortet?

Herr Haastert hatte die Frage seiner Befangenheit für sich selbst geprüft. Wir akzeptierten seine Entscheidung.

Der Konflikt darüber, ob die Fusionskontrolle vor allem wettbewerbsfördernd zu sein hat, oder die Industriepolitik der Regierungen unterstützen soll, spielt ja auch eine große Rolle im künftigen EG-Binnenmarkt. Würden Sie aus einem Ja Haussmanns zu Daimler-MBB folgern, daß er nun auch EG-weit für industriepolitisch ausgerichtete Fusionskontrolle eintritt?

Man kann auch ohne eine positive Entscheidung in dieser Sache sagen, daß Bonn es bereits jetzt schwer hat, in Brüssel überzeugend dafür einzutreten, daß Industriepolitik im Rahmen der Fusionskontrolle keine Rolle spielen solle. Es heißt ja auch heute schon immer dann am Brüsseler Tisch, wenn die Bonner ordnungspolitisch argumentieren: Was wollt Ihr denn, ihr betreibt doch die Daimler-MBB-Fusion. Das weiß man ja nicht erst seit heute.

Dann erübrigt sich fast schon die letzte Frage: Geben Sie doch mal einen Tip ab über die Entscheidung Haussmanns!

Genehmigung mit Auflagen.

Aber doch nicht mit den Auflagen, die die Monopolkommission empfiehlt. Die sind doch erheblich und wären von Daimler nur schwer zu schlucken.

Ich halte sie nicht für unerheblich. Ich halte sie aber auch nicht für sachverständig begründet, weil nicht konkret gesagt wird, was das im einzelnen verbessern soll. Man hat dem Minister ja nur mehrere Angebote gemacht.

Der empfehlende Charakter des Gutachtens ist doch ohnehin schwach. Es heißt soch nur, man könnte diese Auflage erteilen und man könnte jene erteilen.

Dazu kann ich nichts sagen, das habe ich nicht unterschrieben.

Interview: ulk

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