: DEMUTSTALK
■ Kleiner Beitrag zur vorgestrigen Verblödung im ZDF
Amelie Fried, das flaumige Bayern 3-Blondchen, hat ganz viele Fragen an den Ex-Regierenden. Aber Diepgen beantwortet väterlich amüsiert säuberlich eine nach der anderen, nach Republikanern, Grünen, Grauen, zu allem stößt er mit auf Zimmerlautstärke heruntergeschraubter Bundestagsstimme ein paar angestaubte Luftblasen aus. Ja, schade, daß man die Grünen ans sozialistische Lager verloren hat, da hat die CDU versäumt, die konservativen grünen Momente aufzufangen. Trude Unruh, wie ein Flaggschiff daneben thronend, fällt dem zusammengefalteten Anzug ins Wort: „Alles Quatsch, alles Quatsch...“ Diepgen, gewohnt immer weiterzureden, was auch immer sein Ghostschreiber einprogrammiert hat, strengt sich mächtig an, gegen solche fundamentale Kritik trotzdem mit messianischen Bekenntnissen für eine moderne christdemokratische Verbindung zu werben. Dann nennt die kesse Amelie ihn einen „Aktenerotiker“. Diepgen privat mit Filzpantoffeln vorm Video. Verlegen-routiniertes Räkeln. Harry Valerien, der Volksmoderator, springt helfend bei: „Zwei Kinder, nicht wahr.“ Die ein Anrecht haben auf die korrekte gerechte kinderliebe Familienhülle. Zeit zu wechseln auf die offenbar kinderlose Dissidentin, die feministische Kirchenketzerin Elke Sorge.
Den Volksmoderator treibt die Sorge um: „Wo bleibt das Gewissen? Die Demut?“ Elke predigt die Liebe, als wollte irgendjemand in der Runde davon wissen. Das hinterhältig grinsende Weichbild Harry hat dagegen „heute mit einem Pfarrer gesprochen“ und terrorisiert mit der Inbrunst eines Verhörs im Beichtstuhl immer noch mit seinem Gewissen, als ginge es um Sportlerfairness. Amelie will wieder wissen was Diepgen dazu weiß, der wiederum tritt auf als Sachverständiger für grammatikalisch-logische Fehler in der weiblicher Argumentation. Soweit wäre die Schlacht geschlagen, hätte man sich nicht noch eine Portion Betroffenheit ins Studio geholt. „Ich weiß nicht, ob Sie jetzt 'trocken‘ sind“, süffiliert Valerien. Michael Marwitz, Filmschauspieler mit 13monatigem Kind, ist schon zwei Jahre 'trocken‘, wie der gute Harry wissen muß. Endlich haben alle ein spannendes Thema gefunden: Spielsucht. Diepgen lechzt „...Aktuelle Komponenten, hähä...“, Elke wähnt: „Sehnsucht nach ekstatischer Sinnerfüllung, wir können die Hochzeit nicht feiern“, Trude haut: „früher kriminell, heute volkstümlich“. Und Ex-Drogi weint: “...daß die Menschen aufeinander einhacken...Wärme und Freundlichkeit...Versuchen, an einem Strang zu ziehen“. Harry hat „heute mit einem Spieler gesprochen“ und fragt, was zu tun ist. Amelie, die Radikale: „Verbieten!“ Diepgen, der Moderate: „Ersatzbefriedigung sucht sich ihren Weg“. Amelie, die Radikale: „Legalize! (Die Runde empört)...Ich gebe zu...“
So kommt man nicht weiter. Elke sieht Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für kirchliche Selbsthilfegruppen, die solche Michaels „voll annehmen“, Diepgen ebensolche für sich selbst: „Sie verkennen total die Konzeption der Union!“ das Subsidiaritätsprinzip (Hilf dir selbst, dann hilft dir die Union) und die tätige Nachbarschaft (Mähst du mir meinen Rasen, helf ich dir beim Steuernabschreiben). Harry (ich-hab-heute-mit-einem -Familienpfleger-gesprochen) betreibt Familienzusammenführung zwischen Ex-Drogi und seiner permanent eingeblendeten ernst sinnierenden tapferen kleine Frau („Ein Süchtiger ist für eine Frau nicht zumutbar“, M.M.): „Schön, daß Sie zu Ihrer Familie zurückkonnten!“ und Amelie preist noch gemein den Film an „Viel Erfolg für den Film, das ist ja gut fürs Ego“. Im Abspann präsentieren sich Volksmoderator und Karrieremäuschen noch für die nächste Show mit „einen Gast wissen wir schon, Vollenweider“ und Amelie „traut sich“ kulturbanausig nicht, zu beschreiben was er tut, nämlich, daß er als genialer Hausmusikant die N3 -Gemeinde jede Nacht in den Schlaf harft, und zwar professioneller als diese Talkshow.
DoRoh
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