: Die Bounty und Pitcairn
Der Brotfruchtbaum war an allem schuld. Von Captain James Cook in der Südsee entdeckt, stellte sich heraus, daß drei Exemplare seiner Art eine ganze Familie dauerhaft ernähren können. Einmal gepflanzt, kümmert sich der Baum selbst um seine Fortpflanzung und erwartet auch keine Pflege. Die kopfgroße, sehr nahrhafte Frucht muß nicht einmal gepflückt werden, sie fällt dem Menschen reif in den Schoß.
In den britischen Kolonien der Karibik schufteten Hunderttausende schwarzer Sklaven, um Tabak und Zucker für den englischen Markt zu produzieren. Der Brotfruchtbaum schien ideal, um die Ernährung der Sklaven völlig kostenfrei zu sichern. Nur eine einzige Voraussetzung war dazu vonnöten: Schößlinge des Baumes mußten von der Südsee in die Karibik gebracht werden.
Das war die Aufgabe von Captain Bligh und der Bounty, die am 18. November 1787 mit 45 Mann an Bord England in Richtung Tahiti verließ. Elf Monate später stellte sich auf Tahiti heraus, daß das Umpflanzen der Schößlinge in der richtigen Weise noch einmal fünf Monate erforderte. Lange genug, um die Matrosen an eine Art Leben zu gewöhnen, das ohne Zweifel attraktiver war als das entbehrungsreiche auf See. Nur unwillig gaben viele das Leben in diesem Naturparadies auf, um sich wieder unter die Knute des jähzornigen Kapitäns Bligh zu begeben. Offensichtlich hatte ihre Leidensbereitschaft durch die Verwöhnung auf Tahiti abgenommen, denn schon nach wenigen Wochen hatte sich der Haß auf den Kapitän soweit aufgestaut, daß sie zu einer Meuterei bereit waren. Bei Tofua, im Königreich Tonga, übernahm schließlich der Anführer der Meuterer, der Erste Offizier Fletcher Christian, das Schiff und setzte Kapitän Bligh mit 17 seiner Getreuen im Ruderboot aus.
Es folgte eine Odyssee der Meuterer durch die Südsee, bis das Schiff schließlich - wer hätte das gedacht? - wieder in die Matavai-Bucht von Tahiti einlief. Hier versorgte Fletcher Christian mit Hilfe seiner Geliebten Mauhatea das Schiff und die Mannschaft mit allem, was in der künftigen Kolonie zum Überleben notwendig war. Als das Schiff Tahiti verließ, sah die Besatzung ganz anders aus als vorher: 14 Mann waren von Bord gegangen. Statt dessen hatten sich den verbliebenen neun Meuterern jeweils drei Männer aus Tubuai und Tahiti sowie zwölf Frauen und ein Mädchen angeschlossen. Nach Monaten der Suche und der enttäuschten Hoffnungen tauchte plötzlich am 17. Januar 1790 eine Felseninsel am Horizont auf, die in den Seekarten falsch eingetragen und noch dazu sehr schwer zugänglich war. Ideale Voraussetzungen also, um sich vor dem langen Arm der britischen Admiralität
-und damit dem Galgen - zu verstecken.
An dieser Stelle fehlen gesicherte Erkenntnisse für einen Zeitraum von 17 Jahren. Als dann die Topaz 1807 vor Pitcairn ankerte, fand deren Kapitän auf der Insel den Meuterer Johns Adams, acht tahitische Frauen sowie zwölf auf der Insel geborene Kinder bei bester Gesundheit vor. Alle übrigen Männer hatten sich inzwischen gegenseitig den Garaus gemacht. Wie es heißt, sollen Alkohol, Eifersucht und Rassismus im Spiel gewesen sein. Das übliche also. Die Bounty war zerkleinert worden und diente als Bauholz für die Häuser. Fletscher Christian und Mauhatea hinterließen zwei Söhne und eine Tochter.
Zweimal versuchten die Nachfahren der Meuterer, Pitcairn zu entkommen. 1831 führte Fletcher Christians Sohn Thursday October die Gruppe nach Tahiti, wo jedoch neun von ihnen innerhalb eines Jahres an Infektionen starben. Schnell gingen die Überlebenden wieder zurück. Ihre Kinder taten den gleichen Schritt 25 Jahre später, diesmal allerdings mit mehr Erfolg, nach Norfolk Island vor Australiens Küste. Heute leben dort mehrere hundert Nachfahren der Meuterer und ihrer tahitischen GefährtInnen, etliche leben in England und Neuseeland, und auf Pitcairn lassen sich 200 Jahre nach der Besiedlung noch etwa 40 Menschen von der überaus üppigen Natur versorgen. Eines ihrer Hauptnahrungsmittel ist übrigens die Brotfrucht...
Johann Bernhardt
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