NACHT IN MÜHLHEIM

■ Die kriminelle Energie des Hendrik Dorgathen im „Groben Unfug“

Gesucht wird: ein „mysteriöser Mülheimer“, Typ fingerfertiger, exzentrischer Zeichentischtäter, ausgestattet mit einer gefährlich spitzen Feder, der verantwortlich zeichnet für die zusehends dreistere Illustration von Buchcovern, allesamt aus dem Kriminalromangenre, erschienen in einschlägig bekannten Buchverlagen. Da sich der Gesuchte mit kaltblütig krimineller Energie systematisch von Gelegenheit-macht-Comix -Delinquenten aus dem Untergrund („Schmutz und Schund“, „Rad ab!“ und „Strapazin“) in die Chefetagen des organisierten Verbrechens hochgekritzelt hat, ist äußerste Vorsicht geboten: Diesem Mann ist noch einiges mehr zuzutrauen, und es ist zu befürchten, daß er, wenn es darauf ankommt, rücksichtslos von seinen Fähigkeiten Gebrauch machen wird. Gegenwärtig kann man die Spur des Gesuchten, der vorgibt, Hendrik Dorgathen zu heißen und auch unter dem Pseudonym DOR funktioniert, in der Comic-Galerie „Grober Unfug“ aufnehmen, wo er im Kreis gleichgesinnter Ganoven dank seiner ruchlosen Taten den Ruf eines „geschmacklosen, skrupellosen Desperados“ genießt.

Wer ihn selbst ausfindig machen will, muß sich dafür wohl nach Mülheim an der Ruhr begeben und das dortige Nachtleben abklappern, in der Hoffnung, ihn an einem schummrig beleuchteten Tisch zu stellen, vielleicht gerade in dem Augenblick, in dem er eine seiner grellen Comicspots auf Papier knallt, bedrohlich bizarre Szenen über Mord und Wahnsinn, Angst und Verzweiflung; neonfarbene Attacken, die direkt ins Auge springen, heftig und plakativ, aber ohne auf die kleinen Freuden zu verzichten, die das scheußliche Detail im Comicbild bereitet. Seine anatomisch ins Quadratische mutierten Figuren plaziert er in einen bunten Großstadtsmog aus Paranoia und gebündelten Phobien, Bilder, die für sich selbst stehen und dabei doch Anfang oder Ende einer üblen Geschichte sein könnten.

In seiner kruden Bilderwelt wimmelt es von zwielichtigen Frauengestalten, männermordend und hundefutterliebend; einsame Verlierer, die mit gebrochenem Herzen durch die Nacht torkeln oder in dunklen Gassen zusammengeprügelt werden; fiese Ganoven, mehr Klotz als Kopf, mit feistem Grinsen und an den Wänden entlanghuschende Schatten mit gezückter Knarre; maskierte Sexunholde in Unterhosen, die Betäubungsspritze für das Opfer griffbereit und Psychos, die sich selbst mit Messern den Bauch aufschlitzen; Stadtneurotiker auf der Schlachtbank des Psychiaters und in Angstschweiß gebadete Typen auf der Flucht; lustige Killerclowns, die mit Spielzeugpistolen Totschießen spielen und Kleinkinder, die sich mit abgetrennten Händen vergnügen; alles in die Luft sprengende Maniacs und Hausfrauen, noch ahnungslos unter der Trockenhaube, den außerirdischen Schrecken im Nacken.

doa