: PAUSENFÜLLER
■ Multimediales Geklingel in der Galerie Andreas Weiss
Ein Furz in der Kiste - so erscheint mir die „multimediale Spieldose“, die in der Galerie Andreas Weiss mit dem Klingelknopf in Gang gesetzt und durch Luken in der schwarz verkleideten Schaufensterscheibe betrachtet werden kann: rote Lichtblitze umtanzen in einer mit Silberfolie ausgeschlagenen Box eine kreisende Pappfigur. Dies als „Hommage an El Lissitzky“ auszuweisen, bezeugt schlicht den Größenwahn der Künstlergruppe Sky Art. Selbst die Designer von Flipperboxen beweisen mehr Phantasie.
Allein mit der Vernissage sollte die Premiere der „Spieldose“ zu einem Ereignis hochgeputscht werden. Nach dem Motto „Wir haben Dias, Videos, Laser - also sind wir multimedial“ geplant, warteten die Sky-Artisten mit Überraschungen auf. Um sich die Zeit bis zum Anbruch der für die Laser notwendigen Dunkelheit zu vertreiben, war eine äußerst meditative Diashow vorbereitet: zu honigsüßen Syntheziserklängen schwebte man über den Wolken oder unter Wasser. Für Cutterinnen von Fernsehsendern, die aus Filmresten die Pausenfüller zusammenschneiden und mit passender Musik unterlegen müssen, wäre dies die Verwirklichung ihrer Alpträume gewesen. Außerdem konnte man durch den mit Watte gepolsterten Flur zu einem entzückenden Erlebnisräumchen stapfen, der mit viel Flitter ganz intensiv das Gefühl vermittelte, ein klebriges Pralinchen mit überschrittenem Verfallsdatum zu sein.
Aber dies war alles nur Vorgeplänkel. Den Höhepunkt bildete eindeutig der Auftritt des Theatre Danse Grotesque Tatoeba auf dem Bürgersteig vor der Galerie. Es soll einigen durch ihre Körpergröße privilegierten (ab 1,80Meter) Vernissagegästen sogar gelungen sein, die Tänzer hinter der Front der auf- und niederhüpfenden Fotografen, Kameramänner und Kabelträger von SAT1 zu sichern.
Im Garten vereinten sich dann Tänzer und die Lasershow „Strawinsky-Orgel“. Arme krochen wie Schlangen durch die grüne Wand aus Licht, Schatten zerteilten die illusionären Räume, und für Momente entstand eine wunderbare Poesie, von der Lichtblitze und Pappfiguren in der „Spieldose“ leider nur einen ganz und gar unbefriedigten Abglanz gaben.
Das grüne Licht warf geometrische Figuren auf die Hauswand gegenüber, funkelte smaragden in dem Laub der Bäume und umgab die Zuschauer mit magischen Räumen, sodaß man sich zu Besuch bei einem Zauberer aus den Disney-Studios wähnen konnte. Mit zu Herzen gehenden Getöne öffnete sich über uns ein Lichtdom...
Lichtdom?! Aus welch teuflischen Ecken kommt nur dieses Wort gekrochen? Daß mich die Lasershow gerade in dem Moment, in dem endlich Begeisterung aufkommen wollte, an die von Albert Speer zur Feier des 1.Mai 1933 auf dem Marsfeld konzipierten Lichtbauten erinnerte, ist doch fatal. Da war die ganze Wallung der Gefühle wieder im Eimer.
KBM
Die „Spieldose“ von Sky Art ist in der Galerie Andreas Weiss, Nolldorfstraße16, bis 9.9. durch zweimal Klingeln zu sehen.
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