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Amoklauf nach einer Schwarzfahrt

■ Ein 46jähriger Westafrikaner richtete in Stuttgart nach einer Fahrscheinkontrolle ein Blutbad an / Zwei Polizisten mit Bajonett getötet, drei weitere wurden schwer verletzt / Täter starb nach Schüssen der Polizei

Stuttgart (dpa/afp/taz) - Die Verfolgung eines ertappten Schwarzfahrers hat am Dienstag morgen in Stuttgart drei Personen das Leben gekostet. Nach Angaben der Polizei war der farbige Fahrgast bei einer Kontrolle in der Stuttgarter Straßenbahn ohne Fahrschein angetroffen worden und hatte darauf äußerst aggressiv reagiert. Er habe einem Kontrolleur mehrere Zähne ausgeschlagen und sei dann an einer Haltestelle geflüchtet. Eine daraufhin eingeleitete Fahndung blieb zunächst ohne Erfolg und wurde abgebrochen.

Drei Stunden später habe eine Polizeistreife den Mann, einen 46jährigen abgelehnten Asylbewerber aus Liberia, auf der Gaisburger Brücke im Stuttgarter Osten entdeckt. Mit Hilfe zweier weiterer Funkstreifen stellten die Beamten den Mann auf der Brücke. Als die Polizisten seine Personalien verlangten, zog er nach Angaben der Polizei ein 35 Zentimeter langes Bajonett, das zuvor unter einer Zeitung verborgen gewesen war. Völlig unvermittelt habe er blitzschnell auf die Uniformierten eingestochen und dabei zwei Polizisten tödlich verletzt. Drei weitere Beamte wurden zum Teil lebensfährlich von den Messerhieben getroffen. Bei der anschließenden Verfolgung des Täters gaben die Polizisten mehrere gezielte Schüsse ab und erschossen dabei den Flüchtenden.

Die Identität des Täters, der in der Bundesrepublik als abgelehnter Asylbewerber geduldet worden war, konnte erst Stunden später geklärt werden. Die Polizei erklärte zunächst lediglich, man habe in der Jacke des Mannes ein weiteres Messer gefunden. Noch Stunden nach der blutigen Tat sei der von den Polizeikugeln tödlich getroffene Mann kopfüber am Bordsteinrand auf der Neckarbrücke nahe der Stuttgarter Brücke gelegen, bis ein Leichenwagen ihn abtransportierte, berichtete 'dpa‘. Das Blutbad auf der Gaisburger Brücke hatte gestern früh bei Polizei und Rettungsdiensten Großalarm ausgelöst. Die Brücke wurde mehrere Stunden für den Verkehr gesperrt.

Ein Großaufgebot der Polizei nahm die Spurensicherung auf und filmte mit Videokameras den Tatort. Rund um die Polizeiabsperrung wucherten derweil wilde Spekulationen der Schaulustigen. „Nur wegen Schwarzfahren in der Straßenbahn macht man das doch nicht, der hatte bestimmt mehr Dreck am Stecken“, urteilte ein Passant, „das war sicher ein Drogenhändler.“ Aus der erregten Menge wurden immer wieder Forderungen nch einem härteren Vorgehen gegen Ausländer laut. „Das nutzt nur dem Schönhuber“, rief ein etwa 50jähriger Mann. Den Einwand eines Polizisten, es sei doch noch alles nicht geklärt und man solle sich nicht zu übereilten Urteilen gegen Ausländer hinreißen lassen, wollten die Neugierigen nicht gelten lassen.

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