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Deutsch-deutsche Flüchtlingsfehde

■ Lautstarke Vorwürfe von hüben und drüben / Nach Schließung der Vertretung in Ost-Berlin sind die Verhandlungen festgefahren

Berlin/Bonn (dpa/afp/taz) - Zu einem deutsch-deutschen Schlagabtauch hat der Andrang ausreisewilliger DDR -BürgerInnen in bundesdeutschen Botschaften und die Schließung der ständigen Vertretung in Ost-Berlin geführt. Kanzleramtsminister Rudolph Seiters sieht eine „nicht unbeachtliche Störung des innerdeutschen Verhältnisses“. Der deutschlandpolitische Sprecher der CDU/CSU -Bundestagsfraktion, Eduard Lindner, forderte den Rücktritt der DDR-Führung: „Erich Honecker und seine alten Herren sollen endlich abtreten.“ Das Außenministerium in Ost-Berlin qualifizierte das bundesdeutsche Engagement für die DDR-Flüchtlinge als „grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR“. Die diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung in Ungarn wertete das Ostberliner Außenministerium als „Kampagnen, die bis zur versuchten Erpressung anderer Staaten ausarten“. Die DDR drohte „folgenreiche Konsequenzen“ aus der jüngsten Entwick- lung an.

Seiters wies die Angriffe der DDR als sachlich unbegründet und „in der Form unangemessen“ zurück. Kein Bewohner der DDR sei von der Bundesregierung aufgefordert oder ermuntert worden, in die Bundesrepublik zu kommen. Niemand habe auch ein Interesse daran, die DDR zu entvölkern. Der FDP -Fraktionsvorsitzende Wolfgang Mischnick betonte, der Weg über Vertretungen der Bundesrepublik sei nicht der richtige, „denn er hat bis jetzt niemals direkt zu einer Ausreise geführt“. Dieser Druck bringe eher eine Verschlechterung für die Ausreisewilligen.

Die ständige Vertretung war gestern geschlossen worden, nachdem in den letzten Tagen 130 DDR-BürgerInnen in die Botschaft gekommen waren, um ihre Ausreise durchzusetzen. Die Arbeitsfähigkeit sei nicht mehr gewärleistet gewesen, begründete ein Sprecher der Vertretung die vorübergehende Schließung.

Unterdessen scheinen die Verhandlungen über das Schicksal der 130 Ausreisewilligen festgefahrengen. Der Ostberliner Anwalt Wolfgang Vogel, der die Interessen der DDR vertritt, könne lediglich Straffreiheit für die Botschaftsflüchtlinge, jedoch nicht die Aussicht auf wohlwollende Prüfung des Ausreiseantrags zusichern, sagte der Staatssekretär im innerdeutschen Ministerium Walter Priesnitz. Das Gespräch mit ihm könne daher „vielleicht nicht einmal als Verhandlung bezeichnet werden“.

Über die Verhandlungen mit den ungarischen Behörden über die DDR-Flüchtlinge in der bundesdeutschen Botschaft in Budapest wurde gestern nichts Neues bekannt. Allerdings berichtete ein hochrangiger Politiker im Amtsbereich „Innere Sicherheit“ von „schweren Differenzen in der politischen Führung seines Landes“ zur Frage der DDR-Flüchtlinge. Eine Schließung der Budapester Botschaft ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht geplant. Gestern traf auch die ersten Gruppe von DDRlern, die über Ungarn geflüchtet waren, im Aufnahmelager Gießen ein. Nach Angaben aus Bonn sind von Januar bis Ende Juli insgesamt 55.970 Übersiedler und Flüchtlinge aus der DDR gekommen.

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