ÜBER DEN MEEREN

■ Sudanesische „Heimatklänge“ mit Abdel Aziz el Mubarak

Wenn ich so zurückdenke, gröhlt mir noch der kräftige spanische Männerchor im Ohr, der den Doppeldecker vom Tempodrom bis ins tiefste Schöneberg beschallte. Den umgekehrten Weg war ich zuvor gefahren, heimatlos war ich, gewiß!, aber gewiß, die Verwandtschaft unserer Nationen befruchtend zu erfahren.

War's nun die Nachtigall aus dem Morgenland oder der „exotische Sinatra“, wie das Tempodrom die 'Morgenpost‘ zitiert, die wahrscheinlich den Tempodrom-Text vom letzten Jahr zitiert hat, den jetzt der diesjährige Tempodrom-Text wieder zitiert: „Mubarak singt seine Hits - die kennt hier zwar keiner, aber sie gehen ins Ohr!“ Genau wie diese selbstreferentielle Endlosschleife ist Mubaraks Musik, ein ewiger Wurm, der sich vorzugsweise den Schwanz abbeißt, um sofort wieder nachzuwachsen.

Irgendwann ist der Anlaß vergessen, watteweich sinkt die melodiöse Muzak auf die Menge. Mubarak gibt sein Bestes als Edel-Torriani in grauem Anzug, schwarzem Hemd und weißer Fliege und der exakt kopierten lässig-verklemmten Armbeuge, mit der schon Juhnke regelmäßig ganze Sortimente Frauenherzen bezwingt. Und dazu die Stimme, wie sie in verruchten Orientbasaren die Touristen ins Teppichparadies locken soll oder an der Kurfürstenstraße ins erste Stockwerk die Exilierten zum heimatwehen periodischen Entertainment. „It's Showtime“ botschaftet's auf sudanesisch von der Bühne herunter, und die vielköpfige Combo fiedelt, saxophoniert und schifferklaviatürt, was das Zeug hält. Locker hin- und herwogend das multivitaminaktive Publikum, teils in tiefsinnige Gespräche versponnen („Wann bin ich denn ein Egozentriker?“), teils in noch tiefsinnigere Umarmung, oder alleinstehend mit hintergründigem latenten In-sich -Hineinlächeln.

Alles war so ungeheuer positiv auf diesem Boot, in dem wir alle gemeinsam sitzen, und das Orchester spielte und spielte auf dem Deck für die Orient-de-Luxe-Passagiere. Als das Schiff langsam unterging, saßen noch drei Schwarze fiedelnd auf weißen Cafestühlen, immer im Takt, den Bogen im gleichen Winkel - vor ihnen der Entertainer „Da capo! Da capo!“ lächelten sie noch, als über ihnen die Wogen zusammenschlugen.

DoRoh

Die letzten Heimatklänge mit Abdel Aziz el Mubarak, umsonst und draußen, heute und morgen 21.30 Uhr im Tempodrom, So. 15 Uhr Werkstatt-Konzert im Haus der Kulturen der Welt.