: Phantasielos
Armutszeugnis des Senats in Sachen „Polenmarkt“ ■ K O M M E N T A R
Das aktuelle Ergebnis des Verbots des Polenmarktes läßt sich wie folgt zusammenfassen: rund 400 Säcke mit beschlagnahmten Waren im Hauptzollamt Berlin-Süd, über 1.300 Ausweisungsverfügungen in polnischen Pässen und eine Erfassungswelle bei der Ausländerbehörde.
Wahrlich eine grandiose Bilanz eines rot-grünen Senatsbeschlusses. Die im Sinne des Erfinders gewünschte Eindämmung des Handels ist nicht eingetroffen, was auch nicht zu erwarten war. „Die polnische Reisetasche“ ist mittlerweile zum stehenden Begriff geworden. Ihre Zahl wird angesichts der Situation in Polen nicht ab-, sondern zunehmen. Die Bundesregierung hat sich der praktischen Folgen der neuen Reisefreiheit in Polen durch ein Eintrittsgeld von täglich 50 Mark entledigt; in West-Berlin können die Behörden zwar nicht verhindern, daß sie einreisen, aber dafür sorgen, daß zumindest einige so schnell nicht wiederkommen. Also wird ausgewiesen, werden polnische Kleinhändler durch die Parks gescheucht - ein Status quo, mit dem sich der Senat offenbar abfindet. Diese „hands off„-Politik ist nicht nur inhuman, sondern auch erbärmlich phantasielos. Da muß schon der „Polnische Sozialrat“ auf den Plan treten und vorschlagen, eine deutsch -polnische Kommission solle sich nochmal genau überlegen, ob das Verbot des Marktes wirklich die einzig mögliche „Lösung“ war. Die Betonung liegt auf polnisch, denn bei allem Gefasel über die multikulturelle Stadt hat man in Sachen Polenmarkt bisher auf alle gehört - den Wirtschaftssenat, die Oberfinanzdirektion, die Industrie- und Handelskammer -, nur die Polen hat niemand gefragt.
Andrea Böhm
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