: Ist der Handel doch legal
■ Polnischer Sozialrat protestiert gegen Abschiebungen von Polen aus Berlin / Deutsch- polnische Kommission soll sich mit dem Problem „Polenmarkt“ beschäftigen
An einem ließ Krzysztof Nowak vom „Polnischen Sozialrat“ gestern keinen Zweifel: Weder Verbot noch Polizeikontrollen und Abschiebehaft werden seine Landsleute davon abhalten, weiterhin in West-Berlin Kristallvasen, Fahrradketten, Krakauer und Wodka zu verkaufen. Nachdem in Polen die Preise freigegeben worden sind, könne ohnehin keiner mehr ohne schwarzen Nebenverdienst über die Runden kommen. Jetzt, so fordert der „Polnische Sozialrat“, solle sich eine deutsch -polnische Kommission mit dem Thema Polenmarkt nochmals intensiv beschäftigen. Patentlösungen hat keiner, doch als Alternative zu Verbot und Polizeieinsätzen kann sich Nowak zum Beispiel eine regelmäßige Kulturveranstaltung mit einem polnischen Trödelmarkt vorstellen.
Rechtsanwalt Peter Meyer entwickelte eine unkonventionelle Interpretation der alliierten Einreisebestimmungen für Bürger aus Ostblockländern. Die alliierte Anordnung aus dem Jahre 1967, die unter anderem polnischen Touristen die Einreise nach West-Berlin ohne Visum ermöglicht, bezieht sich ausdrücklich auch auf Personen, deren Aufenthalt mit einer „bestimmten Veranstaltung zur Förderung des internationalen Handels zusammenhängt“. Was, wenn nicht der Polenmarkt, fördere den internationalen Handel, fragte Meyer. Ergo sei der Handel legal.
Für die AL zeichnet sich nach den Worten von Hilde Schramm, stellvertretende Präsidentin des Abgeordnetenhauses, eine „Bankrotterklärung“ für das Prinzip der Freizügigkeit ab, wenn Polen in Berlin nicht umgehend humaner und großzügiger behandelt würden. Die AL will den Kleinhandel polnischer Touristen legalisiert wissen. Auf die Frage, wie dieses Anliegen auch dem Senat klarzumachen sei, herrschte auf der Pressekonferenz allerdings Ratlosigkeit.
Im „Polnischen Sozialrat“, einer 1982 gegründeten Organisation von Polen in Berlin, haben die zahlreichen polnischen Touristen nun einen politischen Fürsprecher gefunden. Mit den Polizeikontrollen an polnischen Touristen sei ein Klima von Angst und Verfolgung erzeugt worden, was einer Kapitulation der demokratischen Parteien vor der Demagogie rechter Vereinfacher gleichkäme. Meyer, der mehrfach Polen in Abschiebehaft vetreten hat, wies auf die offenbar zunehmende Praxis der Ausländerbehörde hin, Polen nicht mehr „nur“ auszuweisen, sondern abzuschieben. Während der Senat vor einigen Wochen beschlossen hatte, die Dauer von Ausweisungsverfügungen auf ein Jahr zu beschränken, hat eine Abschiebung lebenslange Folgen: ob mit Visum in die Bundesrepublik oder ohne Visum nach West-Berlin, die Grenze bleibt für immer zu.
anb
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen