: Noch vieles verhindert freie Wahlen in Namibia
UNO-Sonderbeauftragter für den Friedensprozeß Namibias, Ahtissari, kritisiert Einsatz ehemaliger Paramilitärs im Norden der letzten Kolonie Afrikas / Südafrikaner versuchten mit dem Wahlregistrierungsgesetz einen Sieg der Befreiungsbewegung Swapo zu verhindern ■ Aus Johannesburg Hans Brandt
Der UNO-Sonderbeauftragte in Namibia, Martti Ahtisaari, sieht auch die Zukunft Namibias nicht rosarot: Seiner Meinung nach garantiert die Situation im Land zur Zeit noch keine freien und fairen Wahlen. Ahtisaari, der am Dienstag vor burischen Studenten in der Nähe von Kapstadt sprach, nannte anhaltende Übergriffe von Polizisten gegen die Zivilbevölkerung und die Kontrolle Südafrikas über die elektronischen Medien in Namibia als Gründe. Der Präsident der südwestafrikanischen Volksorgansiation, Sam Nujoma, warf Südafrika indessen vor, die Wahlen schon im voraus manipulieren zu wollen.
Ahtisaari betonte zwar, daß sich die Situation in Namibia in den letzten zwei Monaten dramatisch geändert habe. „Die Präsenz der UNO in dem Gebiet hat eine beruhigende Auswirkung gehabt“, sagte er. Dennoch müsse sich die Situation auch in Zukunft noch eindeutig verbessern, um freie Wahlen zu gewährleisten.
Als ungelöste Probleme nannte der Leiter der „UN Transition Assistance Group“ (Untag) noch offene Fragen bei der Freilassung politischer Gefangener und die noch immer bestehende Trennung der Verwaltung nach Rassen. Diese Zustände müßten abgeschafft werden. Besorgt war Ahtisaari auch über die Tatsache, daß Mitglieder der berüchtigten Sondereinheit der namibischen Polizei, „Koevoet“ (Brecheisen), im Norden des Landes nach ehemaligen Swapo -Kämpfern suchten und auch die Bevölkerung durch Einschüchterung davon abhalten wollten, an den Wahlen zu partizipieren. Ein ehemaliger Kämpfer ist schon von der Polizei getötet worden.
Ahtisaari nannte den seit Anfang Juli andauernden Prozeß der Registrierung von Wählern den am besten überwachten Vorgang dieser Art, den er je gesehen habe. Swapo-Chef Nujoma kritisierte gerade diese Registrierregelung. Ein entsprechendes Registrierungsgesetz sieht vor, daß Leute, die vier Jahre lang ununterbrochen in Namibia gelebt haben oder deren Vater oder Mutter in Namibia geboren wurden, das Wahlrecht haben.
Dadurch sind Zehntausende weißer Südafrikaner, die als Soldaten, Beamte oder Geschäftsleute in Namibia gelebt haben, stimmberechtigt. Rechte südafrikanische Gruppen organisieren Sonderreisen in Bussen und Zügen, um solche Wähler zur Registrierung nach Namibia zu bringen. Diese Leute würden mit Sicherheit gegen Swapo stimmen. Nujoma zufolge könnten insgesamt 150.000 Südafrikaner stimmberechtigt sein. Bei einer gesamten Wählerzahl von etwa 650.000 werden die Siegeschancen der Swapo erheblich reduziert.
Tatsächlich kommt es bei der Regiestrierung immer wieder zu Behinderungen der Wähler. So müssen viele Leute oft mehr als einen Tag Schlange stehen, was von Swapo als Versuch betrachtet wird, die Eintragung in die Wählerlisten so schwer wie möglich zu machen. Wählerausweise sollen zudem wiederholt absichtlich falsch ausgefüllt worden sein, so daß sie bei der Wahl nicht akzeptiert werden würden. Und Mitglieder der rechten Unitag-Rebellen sollen aus Angola über die Grenze gebracht worden sein, um sich in die Wählerlisten einzutragen.
Die Rolle der „Koevoet„-Sondereinheit bleibt nach wie vor ungeklärt. Ende Juli kam es zu einem überraschenden Mörserangriff auf eine abgelegene Polizeistation. Die Mörser gingen allerdings mit mehr als 100 Metern daneben. Und australische Untag-Soldaten konnten in den angeblichen Kratern keine Spuren von Sprengstoff oder Granatsplittern finden. Gleichzeitig fand die Polizei zum ersten Mal seit Monaten Landminen auf einer nahegelegenen Straße. Das wurde dann Begründung für die Notwendigkeit der „Koevoet“ und den Einsatz von Panzerwagen, die die Bevölkerung als Einschüchterung empfindet. Martti Ahtissari will nun die politischen Parteien an einen Tisch bringen, um diese Probleme zu lösten.
Der südafrikanische Bevollmächtigte Pienaar hat unterdessen seine Kompetenzen ausgenutzt, um eine Abteilung für auswärtige Beziehungen im Rahmen seiner Verwaltung einzurichten. Eine solche Abteilung hatte Südafrika den von ihm eingesetzten Regierungen in Namibia immer untersagt.
Oppositionsgruppen meinen nun, daß Pienaar eine zukünftige Regierung vor vollendete Tatsachen stellen will. Zudem hat Pienaar sich in den Gesetzesentwürfen für die Wahl Anfang November und die Konstituierung einer verfassungsgebenden Versammlung weitreichende Vollmachten eingeräumt. Er kann unter anderem bestimmen, wann die Versammlung ihre Arbeit beginnt und behält sich das Recht vor, eine Verfassung abzulehnen. Die Entwürfe können allerdings noch in Verhandlungen mit Untag geändert werden.
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