: Ein Jahr Haft ohne Prozeß
Israelis verlängern Administrativhaft für palästinensische Intifada-Aktivisten um ein halbes Jahr / Angehörige Tausender Häftlinge erfahren nichts über Verbleib ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Palästinenser, die von den israelischen Militärbehörden in den besetzten Gebieten festgenommen werden, können ab sofort bis zu einem Jahr ohne richterliche Anhörung in Administrativhaft gehalten werden. Bisher hatte die Dauer dieser Haftzeit sechs Monate betragen. Damit wurde die Praxis der neuen Kommandantur von Westbank und Gaza -Streifen, nach der die Internierung von Palästinensern nach einem halben Jahr ohne Angabe von Gründen schlicht verlängert wurde, von Justizminister Meridor am Freitag mit offiziellem Dekret bestätigt.
Verteidigungsminister Rabin hatte diese Ausweitung auf ein Jahr in Hinblick auf die maßgebenden Sicherheitsinteressen Israels in den besetzten Gebieten seit langem gefordert. Nach Meinung des Verteidigungsministers ist diese Art der Internierung von Intifada-Aktivisten deshalb unvermeidlich, weil durch Gerichtsverfahren die Informanten Israels bekannt würden und damit in Lebensgefahr gerieten. 4.215 Palästinenser wurden nach Angaben der Militärbehörden seit Beginn des Aufstands in den besetzten Gebieten im Dezember 1987 in einem oder mehreren Fällen in Administrativhaft genommen. Die Mehrheit dieser Häftlinge werde im Zeltlager „Ansar 3“, dem militärischen Gefangenenlager in der Negev -Wüste, festgehalten. Wie das „israelische Informationszentrum zu den Menschenrechten in den besetzten Gebieten“ (Bazelem) dagegen erklärte, liege die Zahl der ohne Gerichtsverhandlung festgehaltenen palästinensischen Häftlinge weit über 5.000.
Bazelem widerspricht darüber hinaus der Behauptung eines Militärsprechers, nach der sechs Palästinenser in „Ansar 3“ von Mitgefangenen umgebracht worden seien, weil diese mit den israelischen Behörden kollaboriert hätten. Das Informationszentrum fügt hinzu, daß es in neun weiteren Mordfällen in „Ansar 3“ begründeten Verdacht hege, daß die Gefängnisbehörden oder Geheimdienststellen unmittelbar am Tod dieser neun Palästinenser beteiligt gewesen seien. Das von Knesset-Mitgliedern der Bürgerrechtspartei gegründete „Informationszentrum“ beklagt die große Zahl von „Unregelmäßigkeiten“ in der Politik der Besatzungsbehörden. Das Zentrum bezieht sich dabei auf Angehörige der Häftlinge.
In vielen Fällen würden Verhaftungen anläßlich von Vernehmungen in den Büroräumen der militärischen Besatzungsbehörden vorgenommen. Die Familie des Festgenommenen erfahre nichts von seiner Verhaftung, ebensowenig darüber, wohin er verschleppt wurde. Diese Methode sabotiere die Bemühungen der Familie, den Häftling, über dessen Schicksal man nichts erfährt, durch einen Anwalt vertreten zu lassen.
Die betroffenen Familien haben mit Unterstützung der „Vereinigung für Bürgerrechte“ gegen das Vorgehen der israelischen Militärbehörden in Westbank und Gaza-Streifen beim Obersten Gerichtshof Beschwerde eingelegt und Aufklärung über den Verbleib ihrer Angehörigen verlangt.
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