: Pannenserie in Bayerns AKWs setzt sich fort
■ Die Atomkraftwerke Isar I und Gundremmingen stehen zur Zeit still / Bayerische SPD fordert im Landtag Sicherheitsbericht / 'Spiegel‘ erhebt neue Vorwürfe / Edelstahlkugeln wegen Bedienungsfehlers in Reaktor gefallen / Betreiberin Bayernwerke weißt Vorwürfe zurück
Berlin (taz/dpa/ap) - Alle zur Zeit laufenden Atomkraftwerke scheinen gut übers Wochenende gekommen zu sein. Viele sind es nicht, und in Bayern dürften darüber hinaus demnächst in den AKWs in Ohu und Gundremmingen die Lichter ausgehen.
Mit der jüngsten Pannenserie im Kernkraftwerk Isar I in Ohu wird sich jetzt der Bayerische Landtag auseinandersetzen müssen. Die SPD-Fraktion hat am Wochenende einen Bericht der Staatsregierung über den Sicherheitszustand des Reaktors verlangt. Danach soll entschieden werden, ob außerdem ein Sicherheitsgutachten für die gesamte Atomstromanlage und nicht nur ein Bericht über die dort Ende Juli in den Druckbehälter gestürzten Edelstahlkugeln gefordert wird.
Das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel‘ berichtet jetzt über angebliche weitere Mängel in Isar I. Insgesamt zehn der Absperrventile, die an Dampf- und Wasserleitungen angebracht sind, sollen den Sicherheitsnormen nicht genügen. Reaktorexperten hätten dem 'Spiegel‘ zufolge sogar gefordert, daß neue Schieber eingebaut werden müßten. Erst am Freitag war bekanntgeworden, daß bei Reinigungsarbeiten ein Pumpenraum überflutet wurde.
Betreiber und Genehmigungsbehörde wiesen die Vorwürfe zurück. Die Betreiberin Bayernwerke sprach von „böswilliger Panikmache“. Es gebe in Isar I keine Ventile, die ein Sicherheitsrisiko darstellten. Die Anlage werde jedes Jahr einer eingehenden Inspektion unterzogen. Auch das bayerische Umweltministerium schloß sich den Ausführungen der Betreiberfirma an: Von Sicherheitsmängeln bei Absperrventilen sei „nichts bekannt“.
Auch im schwäbischen Atomkraftwerk Gundremmingen gab es letzte Woche eine Panne. Seit Freitag abend liefert das AKW keinen Strom mehr. In BLock B des Atomkraftwerkes war ein Flansch im Turbinenbereich undicht geworden. Wie die Grünen im bayerischen Landtag erklärten, mußte das AKW auf „drucklosen Betrieb“ heruntergefahren werden, nachdem sich die Aerosol-Konzentration im Maschinenhaus nahezu verdoppelt hatte. Nach Angaben des Umweltministeriums handelt es sich dabei um ein meldepflichtiges Ereignis der Kategorie „normal“.
Der Landtagsabgeordnete der bayerischen Grünen Armin Weiß wies darauf hin, daß aufgrund von Störfällen und Brennelementewechseln nur noch die bayerischen Atomkraftwerke Ohu II und Grafenrheinfeld Strom ans Netz lieferten. Weiß erklärte, der neue Störfall in Gundremmingen sei nach aller Wahrscheinlichkeit die Folge eines unverantwortlichen Umgangs mit den Atomreaktoren. Atomkraftwerke wären nur für den Grundlastbetrieb und damit für einen ständigen und gleichmäßigen Betrieb ausgelegt. In Bayern sei man aufgrund der aufgebauten Überkapazitäten an Atomstrom dazu übergegangen, die Atomkraftwerke je nach Bedarf ständig rauf- und runterzufahren. So seien die beiden Reaktoren in Gundremmingen im vergangen Jahr nicht einmal einen Monat lang unter Vollast betrieben worden. Ihre abgegebene Leistung habe meist nur 70 Prozent, häufig sogar nur 35 Prozent des Normalbetriebes betragen. Es verstehe sich von selbst, daß dieser unsachgemäße Betrieb die Technik der AKWs strapaziere und somit zu einer schnelleren Materialermüdung führe. Störfälle würden dadurch geradzu provoziert.
Wieland Giebel
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