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Blockierer wollen Freispruch

■ Freispruch und Verurteilung wegen „Nötigung“ für Blockierer der Aktion „Sitzenbleiben für den Frieden“ am Amtsgericht Pirmasens / Angeklagte lehnen milde Urteile ab

Sensbachtal/Odenwaldkreis (taz) - Wie der Bundeskoordinator der Aktion „Sitzenbleiben für den Frieden“, Klaus Vack, bekanntgab, sind nach der Sommerpause die Prozesse vor dem Amtsgericht Pirmasens wegen „Nötigung“ anläßlich der Friedensaktionswoche im Sommer 1988 vor dem US-Giftgasdepot Fischbach wieder angelaufen.

In der vergangenen Woche fanden mehrere Hauptverhandlungen statt. Im Prozeß gegen Hannelore Höbel ging es um „versuchte Nötigung“ am 27. Juni 1988 vor Tor 8 des Depots. Die umfängliche Beweisaufnahme, bei der der Lagerkommandant, Polizeibeamte und ein Oberstaatsanwalt beim Landgericht Zweibrücken als Zeugen vernommen wurden und ein Videofilm der Polizei über die Aktion in den Prozeß einbezogen wurde, erforderte eine dreitägige Hauptverhandlung am 7., 8. und 10. August 1989. Der Strafbefehl lautete auf lediglich 200DM und warf der „Angeklagten“ eine „versuchte Nötigung“ vor, weil während des gesamten Tages (27.Juni 1988) kein einziges Fahrzeug die blockierten Tore passieren wollte. Strafrichter Friemel gelangte zu einem Freispruch, weil die „Angeklagte“ überzeugend dargelegt hätte, daß sie vorher wußte, daß kein Fahrzeug kommen würde, da sie subjektiv begründet davon ausgehen konnte, daß es eine diesbezügliche Absprache zwischen US-Army und den deutschen Behörden gegeben habe. Hannelore Höbel ist Sprecherin der Friedenskoordination Westpfalz (Sitz Pirmasens) und war an der Vorbereitung der Sitzdemonstrationen-Aktionswoche 1988 vor dem US -Giftgasdepot Fischbach maßgeblich beteiligt.

Erheblich reduziert wurde das Strafmaß im Falle des Berliner Pädagogen Prof.Helmut Hessinger. Er hatte sich am 30.Juni 1988 mit anderen Mitgliedern der Friedensbewegung vor Tor 1 des Depots gesetzt. Der Strafbefehl warf ihm „Nötigung“ vor und war auf 2.000DM beziffert. Die Hauptverhandlung am 10.August 1989 ergab, daß zwar Militärfahrzeuge in das Depot einfahren wollten, jedoch von der Polizei in erheblichem Abstand zu den vor dem Tor sitzenden Demonstranten angehalten wurden. Damit wirkte, so das Gericht, auf die Fahrer kein „unmittelbarer psychischer Zwang“ ein, wie der 1.Strafsenat des BGH „Gewalt“ definiert. Das Gericht erkannte jedoch auf „versuchte Nötigung“ und verurteilte Helmut Essinger zu einer Strafe von 400DM.

Die Verurteilten legten dennoch Berufung ein. Klaus Vack: „Zwar zeichnet sich beim Amtsgericht Pirmasens ein gewisses Nachdenken und Konzept der Strafreduzierung ab. Aber auch die geringste Strafe unter Bezug auf den 'Nötigungs' -Paragraphen des Strafgesetzbuches stellt eine Kriminalisierung dar. Deshalb wollen wir über die folgenden Instanzen erreichen, aus Rechtsgründen freigesprochen zu werden, also weder mit Gewalt noch in verwerflicher Absicht andere genötigt oder dies versucht zu haben.“

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