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Ortega setzt auf Aussöhnung

Die Sandinisten lassen die ersten Contra-Kollaborateure frei / Demonstrativer Akt mit Staatspräsident Daniel Ortega, der auf Versöhnung und Verzeihung setzt  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Das fruchtbare Pantasmatal im nördlichen Bergland Nicaraguas war jahrelang eine Hochburg der Contras. Im Oktober 1983 fiel eine Bande von Konterrevolutionären ein und massakrierte alle greifbaren Regierungsleute, darunter den Delegierten der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN). Dutzende Bauern aus den umliegenden Weilern wanderten nach und nach wegen Zusammenarbeit mit dem Feind hinter Gitter. Nachdem auf dem jüngsten Präsidentengipfel die Entwaffnung der Contras besiegelt wurde, wählte Präsident Daniel Ortega jetzt dieses abgelegene Tal, um mit allen abtrünnigen Bauern den Frieden zu schließen. In einem Festakt wurden Dienstag 29 gefangene Campesinos freigelassen, denen in den nächsten Wochen noch um die 1.000 weitere folgen sollen.

„Wir haben kein Interesse, uns an den Contras zu rächen, schließlich sind sie selbst Opfer“, verkündete Ortega vor den versammelten Campesinos aus den umliegenden Weilern. Die 29 Campesinos wurden nacheinander aufgerufen, auf dem Podium neben Ortega Aufstellung zu nehmen. Mit gesenkten Blicken hörten sie zu, wie der Präsident unter beharrlichem Nieselregen die bevorstehende Freilassung aller weiteren Kleinbauern „die direkt oder indirekt mit der Konterrevolution zusammengearbeitet haben“, ankündigte. „Behandelt sie mit Nachsicht“, lautete die Aufforderung an die Mitbürger, „denn sie fühlen sich nicht als Konterrevolutionäre“.

Die prosandinistische Kleinbauernunion UNAG stellt eine Liste von rund 1.200 Campesinos zusammen, die baldigst freigelassen werden sollen. Mit dieser Maßnahme will die Regierung ein Klima des Vertrauens schaffen, das es den Contras in den Lagern in Honduras und im Landesinneren erleichtern soll, die Waffen niederzulegen.

Die Regierung ist gemäß dem zentralamerikanischen Friedensplan zur Freilassung aller wegen konterrevolutionärer Aktivitäten gefangener Personen erst dann verpflichtet, wenn der letzte Contra seine Waffe abgegeben hat. Doch will sie mit vertrauensbildenden Maßnahmen den Zerfallsprozeß der antisandinistischen Armee beschleunigen und die nationale Versöhnung vorantreiben. Montag brachte Ortega mehr als zwei Stunden im Gespräch mit dem erzkonservativen Kardinal Obando y Bravo zu, um auch die Kirche für den Contra-Demobilisierungsplan zu gewinnen. Für die Entwaffnung der 2.000 bis 4.000 Contras im Landesinneren sollen die Friedenskommissionen reaktiviert werden, die nach dem Waffenstillstandsabkommen von Sapoa vor 17 Monaten geschaffen wurden. Dafür ist die Unterstützung der Kirche unentbehrlich.

Ortega erklärte, daß von den insgesamt 7.117 Gefangenen des Landes 5.328 gemeine Kriminelle seien, weitere 235 seien verurteilte sandinistische Militärs, und 1.515 fallen unter die Kategorie der Contras oder Contra-Kollaborateure, die in den kommenden Wochen freikommen werden. Nur für eine Gruppe von 39 wegen Schwerverbrechen verurteilter ehemaliger Nationalgardisten gibt es keine Gnade.

Die Freigelassenen sollen in der Landwirtschaft arbeiten, meinte Ortega. Im Pantasmatal sollen sieben Millionen Dollar im Rahmen eines von Italien finanzierten UNO-Projektes investiert werden, „damit die Campesinos mehr und unter besseren Bedingungen anbauen können“.

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