: Gegner moderner Kunst-betr.: "Der zertrümmerte Spiegel", taz vom 12.8.89
betr.: „Der zertrümmerte Spiegel“, taz vom 12.8.89
Traurig stellt Christof Boy fest, daß einst Provokantes zur konsumierbaren Kunst geworden ist, ohne jedoch einen Zusammenhang herzustellen zu den Gedanken der Aktionisten, daß das Kunstwerk weniger wichtig sei als der schöpferische Akt. Und nicht das Museum schafft den Künstler, sondern die Kreativität. Gingen doch die Aktionisten davon aus, daß sie ihre Krativität sicherer leite als alle aufgezwungenen Kenntnisse und kulturellen Konditionierungen und Spezialisierungen.
Und hätte der Kunstkritiker verstanden, daß im Aktionismus Kunst im Lebensstil beziehungsweise in der Suche nach einem Lebensstil sichtbar wird, so wäre der Satz, daß „Hinweise auf Otto Mühls zwielichtige Rolle als Kopf einer Kommune auf Gomera“ fehlten, gar nicht möglich. Da macht sich der Autor plötzlich zum Gegner moderner Kunst, da wird er zum Denunzianten, da schlägt er sich auf die Seite eines mißtrauischen Publikums, auf die Seite der Regenbogenpresse, macht sich zum Sprecher des gesunden Menschenverstandes, der aggressivsten Seite des kleinbürgerlichen Bewußtsein. Da wird für den Kunstkritiker das Leben Mühls in einer Kommune, was offenbar nicht durch Konventionen abgesichert zu sein scheit, zum Anlaß für Demagogie.
Aber in welcher Zeitung kann ein Journalist sich erlauben, das herauszufinden, was gesellschaftlich allgemein akzeptierte Urteile infragestellt, und dieses auch sagen?
Ilona Vollmar-Maek, Düsseldorf
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