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RWE-Chef Gieske sinniert über den Brüter

ZDF hört das Gras wachsen und interpretiert eine Äußerung des Vorstandsvorsitzenden als Abschied von Kalkar / RWE dementiert und steht „selbstverständlich“ zu seinen Pflichten / NRW-Landesregierung zufrieden / Riesenhuber schreit „auf dem falschen Bein Hurra“  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Das lange Sterben des Schnellen Brüters in Kalkar geht weiter. Nur einen kurzen ZDF-Fernsehabend währte die Hoffnung, das Rheinisch Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) werde sich als Hauptgesellschafter der Brüter -Betreibergesellschaft SBK aus dem Projekt zurückziehen und so ein jähes Ende der fast fertiggestellten, sieben Milliarden Mark teuren Anlage herbeiführen. Am Donnerstag folgte umgehend das Dementi aus dem Hause des Stromgiganten: alles kalter Kaffee.

Im ZDF hatte RWE-Chef Friedhelm Gieske am Mittwoch abend wörtlich erklärt: „Aufgrund der Strombedarfsdeckung brauchen wir Kalkar zur Zeit nicht. Es geht also nicht um einen Verzicht der Energiewirtschaft, sondern es geht um einen Verzicht der Forschungspolitik“. Das ZDF interpretierte die Aussage als Ausstiegsankündigung. Tatsächlich entspricht sie nahezu wörtlich einer seit vielen Monaten gültigen Sprachregelung des Stromkonzerns, wonach der Brüter nicht mehr als stromproduzierende Prototyp-Anlage firmiert, sondern als reiner Forschungsreaktor.

RWE-Sprecher Dirk Bülow beteuerte gegenüber der taz, bei der Gieske-Aussage handele es sich um ein gekürzt wiedergegebenes „Nebenprodukt“ eines längeren Interviews zum Thema Energiepolitik. Es gebe keinerlei Änderung der RWE -Position. Der Brüter sei ein Forschungsprojekt der BRD, der Niederlande und Belgiens. „Ausstieg oder nicht ist deshalb Sache der Politiker und nicht des RWE“, sagte Bülow. Die sogenannten Wartekosten des Brüters seien mit dem im vergangenen Jahr zwischen Stromwirtschaft, Betreibern und dem Bundesforschungsministerium ausgehandelten „Überbrückungskonzept“ bis 1991 gesichert. Das RWE werde alle seine Verpflichtungen „selbstverständlich einhalten“, versicherte der Konzern-Sprecher.

Auch Bundesforschungsminister Riesenhuber ließ gestern seine eingefahrene Position zum Schnellen Brüter bekräftigen. Der Staatssekretär im Bundesforschungsministerium Ziller erklärte, an der Inbetriebnahme des Reaktors in Kalkar bestehe „wegen der forschungspolitischen Notwendigkeiten ein Bedarf“. Der Brüter-Beitrag zur Stromversorgung sei demgegenüber nie das entscheidende Kriterium für die Frage der Inbetriebnahme gewesen. Auch in der Umgebung der Düsseldorfer SPD -Landesregierung, die als Brüter-Genehmigungsbehörde die Inbetriebnahme „streng nach Recht und Gesetz“ verhindern will, glaubt man nicht ernsthaft an eine späte Einsicht und Wende beim RWE. Der Grund: Der freiwillige Ausstieg würde dem Konzern unter Umständen teuer zu stehen kommen. Das Beispiel Wackersdorf ist noch frisch in Erinnerung. Dort hatte die Stromwirtschaft von sich aus aufgegeben und muß nun Entschädigungsleistungen in dreistelliger Millionenhöhe aufbringen. Diesen „Fehler“ will das RWE nicht wiederholen. Statt dessen wartet man auf die endgültige Absage der Landesregierung und hofft, anschließend selbst erfolgreich Regreßansprüche für die investierten Milliarden anmelden zu können.

In Düsseldorf nimmt man die neue Diskussion über eine mögliche Abkehr des RWE vom Schnellen Brüter offensichtlich erfreut zur Kenntnis. Bundesforschungsminister Riesenhuber entwickele sich langsam zur „tragischen Figur“, hieß es in der Umgebung der Staatskanzlei. Nach Wackersdorf und Hamm, wo der Bonner Minister sogar länger an den Projekten festhielt als die Betreiber, sei er nun zum dritten Mal „der letzte, der auf dem falschen Bein Hurra schreit“.

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