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Kolumbiens Justiz steht vor dem Kollaps

Ermordung eines Richters löst schwere Krise aus / 48 Kollegen des Ermordeten legen ihre Ämter nieder / 4.500 Richter könnten zurücktreten / Kolumbiens Justizangestellte in unbefristetem Streik / Drogenmafia hat sich auf Richter eingeschossen  ■  Aus Bogota Ciro Krauthausen

Aus Protest gegen die Ermordung des Richters Carlos Valencia Garcia am Mittwoch abend traten Donnerstag in Kolumbien die Angestellten des Justizwesens in einen unbefristeten Streik. 48 Kollegen des Ermordeten am Gerichtshof der Hauptstadt Bogota legten ihre Ämter nieder. Donnerstag abend drohte die Gewerkschaft der Justizangestellten Asonal mit dem Rücktritt aller 4.500 kolumbianischen Richter. Nur so könne auf die Untätigkeit der Regierung und die Gleichgültigkeit der gesamten Gesellschaft gegenüber der Ermordung von Richtern aufmerksam gemacht werden. Bis in die Nacht hinein beriet sich derweil ein eilends von der Regierung einberufener Sicherheitsrat, um Maßnahmen zum Schutz der bedrohten Richter einzuleiten.

Carlos Valencia Garcia wurde Mittwoch abend in Bogota von vier Killern erschossen. Wahrscheinliche Drahtzieher der Ermordung sind die Drogenmafiosi. Der Richter hatte in zweiter Instanz die Vorladungsbefehle gegen die Kokainbarone Pablo Escobar und Gonzalo Rodriguez Gacha bestätigt. Escobar, mutmaßlicher Chef des „Kartells von Medellin“, das für einen Großteil des weltweiten Kokainhandels verantwortlich ist, wurde von dem 45jährigen Richter beschuldigt, den Mord an dem Zeitungsverleger Guillermo Cano Isaza im Dezember 1986 befohlen zu haben. Rodriguez Gacha derweil soll die Ermordung des linken Parteiführers Jaime Pardo Leal im Oktober 1987 in die Wege geleitet haben.

Stunden vor der Ermordung Carlos Valencia Garcias hatte die Polizei eine Erfolgsmeldung im Kampf gegen die Rechtsradikalen, von der Drogenmafia mitfinanzierten Todesschwadronen bekanntgegeben. „Vladimir“, der vermeintliche Anführer jener Todesschwadron, die am 18.Januar dieses Jahres in der Krisenregion Magdalena Medio zwölf Mitglieder einer gerichtlichen Untersuchungskommission ermordete, war verhaftet worden. Ob „Vladimir“ nun aber auch abgeurteilt werden kann, scheint zweifelhaft. Polizei und Militär sind nach eigenem Eingeständnis derzeit nicht in der Lage, die Sicherheit der Richter zu garantieren. Ende Juli war bereits in Medellin, der zweitgrößten Stadt Kolumbiens, die Richterin Maria Helena Diaz ermordet worden. Auch sie hatte wegen der Beteiligung an verschiedenen Massakern Anklage gegen führende Mafiosi erhoben. Ebenfalls mußten Anfang der Woche die Richter Jaime Gomez Mendez und Alvaro Medina Moreno wegen Todesdrohungen das Land verlassen. Medina Moreno hatten anonyme Anrufer unter seiner hochgeheimen Telefonnummer damit gedroht, seine Tochter umzubringen. Der mit mehreren Prozessen gegen die Drogenbarone beschäftigte Richter bekam es mit Recht mit der Angst zu tun: Die Existenz dieser unehelichen Tochter hatte er nur seinen engsten Freunden anvertraut.

Die an den Richter Alvaro Moreno Medina gerichteten Drohungen zeigen, daß die Killer, wann immer sie ein Attentat planen, weitgehend problemlos an die eigentlich dem Geheimdienst vorbehaltenen Informationen herankommen.

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