: Kälberdoping mit Hustensaft
■ Neuer Kälbermastskandal in NRW / Erstmals der Einsatz von Medikamenten aus der Humanmedizin nachgewiesen / Bisher 3.800 Viecher hustenfrei
Düsseldorf (taz) - Die Kälbermafia hat ein neues Mittel, um die armen Viecher schneller rund zu machen - und das Land Nordrheinwestfalen hat ein gutes Jahr nach der Hormonkälberschwemme nun den nächsten Kälbermastskandal. In drei Betrieben im westfälischen Kreis Borken haben MästerInnen illegal den Stoff Salbutamol als Masthilfsmittel eingesetzt. Das gab Landwirtschaftsminister Klaus Matthiesen gestern in Düsseldorf bekannt und nutzte zugleich die Gelegenheit, „die Schlagkraft der NRW-Untersuchungsbehörden“ zu loben.
In 13 Proben wiesen die nordrhein-westfälischen Behörden Salbutamol, das sonst zur Herstellung von Bronchial- und Hustenmitteln verwendet wird, in teilweise sehr hohen Konzentrationen im Urin der Kälber nach. Salbutamol ist nur für die Humanmedizin zugelassen, nicht für Tierarzneimittel.
„Gesperrt“ wurden die rund 1.500 Kälber der drei aufgeflogenen MäterInnen sowie alle Tiere des Lohnmastunternehmens, für das einer der drei arbeitet. Auch in diesem Betrieb sollen Proben genommen werden. Insgesamt dürfen 3.800 Kälber aus 21 Beständen vorläufig nicht unters Messer. Für Fortsetzung auf Seite 2
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jedes Kalb, das jetzt noch verschwindet, müssen die kriminellen MästerInnen 5.000 Mark Strafe zahlen.
Noch weiß man nicht, was das neue Mast-Dope bei den Kälbern außer zarten Rundungen noch bewirkt und ob KalbfleischesserInnen in Zukunft nie mehr Husten kriegen. Das soll das Bundesgesundheitsamt herausfinden. Ob Salbutamol-Fleisch jedoch bereits auf dem Markt ist, konnte Matthiesen gestern nicht genau sagen, wollte es aber „nicht ausschließen“.
Daß der Kälbermafia nach Hormonen und Tierarzneimitteln jetzt auch der Einsatz von Medikamenten aus der Humanmedizin nachgewiesen worden ist, bezeichnete Matthiesen als „eine neue Dimension“. Schon bei der Beschaffung von Salbutamol, das rezeptpflichtig sei, werde offenbar international zusammengearbeitet. Von der Bundesregie
rung verlangte er, sie solle unverzüglich die im Februar dieses Jahres auch vom Bundesrat verabschiedete verschärfte Kälberhaltungsverordnung in Kraft setzen oder sich für eine EG-weite Regelung einsetzen. Eine Arbeitsgruppe in Brüssel müsse sich außerdem mit den internationalen Wegen im Handel mit illegalen Mastmitteln und verseuchtem Fleisch befassen.
Noch vor drei Wochen hatte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Düsseldorf, Thomas König, gegenüber der taz behauptet, es gebe „keinerlei Hinweise“ dafür, daß in der Kälbermast weiter mit illegalen Mitteln gearbeitet werde. Anlaß seiner Äußerung waren Erkenntnisse der NRW-Grünen über mögliche schwer nachweisbare „Nachfolgepräparate“ für die bis dahin bekannten illegalen Masthilfsmittel. Der Wittgensteiner Tierarzt Rolf Clemen berichtete Ende Juli, daß er vom Einsatz des wachstumsfördernden Clenbuterol bei verschiedenen Mästern wisse. Clenbuterol ist chemisch eng mit
Salbutamol verwandt und wird auch für Hustenmittel verwendet: allerdings nur für Tiere.
Bettina Markmeyer
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