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Live to ride per bike

■ Zum ersten Mal fand im Tempodrom eine „Bike Show“ statt / Motorradfans aus ganz Europa posierten mit Chopper und Rockerbraut / Live-Musik und Dessous im Tempodrom

„Trinken Sie keinen Alkohol, wenn Sie heute noch fahren wollen. Auch wir möchten, daß Sie ihren Führerschein behalten“ - Mit etlichen Reifenabdrücken versehen, liegt der Handzettel der Polizei in einer Ketchup-Lache vor dem Eingang zum Tempodrom. „Scheiße!“ grummelt ein Mittvierziger in Rockerkluft, der, als er gerade einen alten Chopper begutachten will, genau in die papierne Soße tritt. Ungerührt läuft der Besucher der „Berlin Bike Show“ samt Dreck am Stiefel weiter.

Die Motorradfreaks, die an diesem Wochenende das Tempodrom belagern, zeigen sich nur penibel, wenn es sich um ihre Bräute dreht. Und davon hat der durchschnittliche Chopper -Fahrer gleich zwei. Nummer 1: Die blitzblanke Harley Davidson mit handgenähter Sitzbank und „echt geil“ bemaltem Benzintank. Nummer 2: Das weibliche Dekorationsstück, das sich fügsam hinten drauf setzt und ansonsten die Freundin ist. Beides zu besitzen, vor allem aber zu zeigen, ist bei der „Bike Show“ obligatorisch. Das gilt vor allem für die heißen Öfen im kleinen Zelt. Dort steht „Yellow Fever“ aus Schweden neben dem „Shorty Chopper“ in Dreirad-Größe und läßt sich in direkter Nachbarschaft zu weiteren 28 exklusiven Harleys von der ehrfürchtigen Motorradgemeinde begutachten.

„Dat Bier is ne limitierte Auflage, kostet 10 Mark die Dose.“ Michael aus Bottrop verkauft auf dem Motorrad -Flohmarkt vor den Zelten alles, was das Ersatzteillager von „Harley Davidson“ zu bieten hat. Darunter auch original „Harleys heavy beer“, das die Firma extra für die weltberühmte Bike-Week in Daytona brauen läßt. „Das Bike -Treffen in Florida ist super, da kommen so um die hundertausend Leute aus aller Welt“, erklärt der Händler. Die Bike Show im Tempodrom ist dagegen nur ein kleiner Fisch. Etwa 1.000 Chopper-Fans sind am Samstag vorgefahren, um sich mit Gebrauchtteilen und Accessoirs für das richtige Outfit von Mensch und Maschine einzudecken.

Drinnen im Zelt pulst derweil der klischeegemäße Rocker -Zeitgeist. Nach Live-Musik von der „Boozeband“ hat dort die Dessous-Show begonnen. Eine Stunde lang turnen dafür drei Models barbusig mit immer wechselnder Straps-Kollektion über die Bühne - nur unterbrochen von der bayrischen Rad-ab -Mentalität eines Moderators, der mit seinem Ambiente für Zahlenkolonnen (3.500 Mark, die fünfteilige Strapskollektion!) eher an die Kasse einer Fleischerei gepaßt hätte. Erst die Preisverleihung für den besten Chopper, den schärfsten Oldie und die genialste Lackierung führt die versammelte Mannschaft wieder ihrer Vorliebe für Pferdestärken zu. Pokale werden verteilt, Preisgelder im Werte von 10.000 Märkern unter die Gewinner, die auf der Bühne vorfahren, gestreut. „Abfahrn, Abfahrn!“ dröhnt es den Besitzern entgegen, als deren Maschinen nach mehrmaligem Husten ihren Geist aufgeben. „Das sind eben reine Ausstellungsstücke“, meint der Moderator entschuldigend und ist auch nicht sonderlich überrascht, als ein Motorrad auf die Bühne rast und fast ein Kind überfährt. „Dem ist eben das Standgas gerissen“, meint er achselzuckend, während die drei Go-go-Girls gelangweilt über die Bühne stöckeln und Küßchen austeilen. Was nicht tötet, härtet eben ab. Und das müssen auch die Rocker aus Stuttgart, Uppsala oder Neustadt denken, als sie nach überstandenen drei Stunden Programm wieder aus dem Zelt torkeln und sich ihre Leidenschaften greifen: Erst das Motorrad, dann die Frau!

ko

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