piwik no script img

Konkurs am Kurfürstendamm

■ Die ehemalige Wohnbau-Design, meistgehaßte Abschreibungsgesellschaft der Hausbesetzer-Zeit, steckt in finanziellen Schwierigkeiten / Schulden in Millionenhöhe / Droht Zwangsversteigerung und Leerstand in vielen Häusern? / Die Wohnungsbaukreditanstalt zahlt nicht

In finanziellen Schwierigkeiten steckt die ehemalige Wohnbau -Design, als Vogel/Braun-Gruppe bekannt geworden, eines der größten Berliner Abschreibungsunternehmen: Zwei Gesellschaften meldeten im Juli Konkurs an: Die Baufirma Urbafin und die WVO. Die Hausverwaltung Residenta wurde ab und dann aufgelöst.

Aber noch ist nicht das ganz verschachtelte Firmenimperium betroffen, denn die verschiedenen Gesellschaften sind von einander unabhängig. Noch nicht betroffen ist die Dachgesellschaft des 190 Häuser starken Imperiums im gemeinsamen Domizil am Kurfürstendamm 234, die Bellevue GmbH heißt. Dies sagt jedenfalls Ingo Weißer, wichtigster Mann der Firmengruppe nach dem Ausstieg von Joachim Vogel im Januar dieses Jahres und unter anderem Geschäftsführer von Bellevue und Residenta. Gegen Weißer laufen derzeit zwei Ermittlungsverfahren wegen Betrug und Untreue, eines davon in Zusammenhang mit einem Konkurs, wie Justizsprecher Christoffel mitteilte.

Die ersten Anzeichen der Finanzmisere bemerkten die Leute von der SPAS-Mieterberatung aus Kreuzberg Anfang des Jahres in der Heimstraße 4: Trotz Baugerüst am Haus gegenüber kam ihnen nie ein Bauarbeiter zu Gesicht. Die Heimstraße gehört der Renobau, und deren Eigentümer sind Ingo Weißer und - bis Januar noch - Joachim Vogel. Sie wurde von der Residenta verwaltet. Auch bei anderen Häusern der Weißer/Vogel-Truppe blieben die Bauarbeiter weg. „Bei uns stehen Wohnungen seit drei Jahren leer, eine Familie lebt seit Monaten ohne Heizung“, schimpft ein Mieter der Jüterboger Straße 8. In der Graefestraße 6 montierte eine Heizungsfirma, die kein Geld sah, die Heizkörper ab und nahm sie wieder mit. In der Motzstraße 30 in Schöneberg wartet ein Dachdecker noch auf eine Viertelmillion. In der fast leeren Lübecker Straße 32 in Tiergarten beschwerten sich Mieter bei der Bauaufsicht über Mängel.

Auch in den sanierten Häusern sind Mieter unzufrieden: In der Sorauer Straße 14 klagen Bewohner über feuchte Wände, undichtes Dach und verstopfte Fallrohre.

Dann wandten sich die Wasserwerke mit unbezahlten Rechnungen an die Mieter fast aller Häuser: 200.000 Mark bekomme man von der Residenta, 50 Klagen seien deswegen anhängig, teilte der zuständige Sachbearbeiter mit. Auch das Finanzamt will Bares, denn die Baufirma Urbafin hat dort 900.000 Mark Schulden an Lohn-, Umsatz- und Gewerbesteuer und gut 1,3 Millionen an Körperschaftssteuer, darunter auch Altschulden der Urbafin-Vorgängerin WIG bis zurück in das Jahr 1982. Bei den Banken stehen ebenfalls Häuser in der Kreide , so die Motzstraße 30, ein Urbafin-Haus. Auf ihr besteht eine 4,2 Millionen-Hypothek der rheinischen Hypothekenbank.

Im Frühjahr 1989 trat die Leerstandskommission der Senatsbauverwaltung auf den Plan: Sie stellte fest, daß auffällig viele Häuser aus der Vogel/Weißer-Gruppe, die mit öffentlichen Geldern saniert werden, leerstanden, die meisten davon in Kreuzberg. Größtes Problemhaus ist die Wiener Straße 14, die Ingo Weißer privat gehört, und die er nach monatelangem ungenehmigten Leerstand nun in Eigentumswohnungen umwandeln will. Im Juli kamen etwa 40 Häuser unter die Verwaltung der Dresdner Bank Immobilien GmbH, was nach Beteuerungen von Weißer nichts mit den finanziellen Schwierigkeiten zu tun habe. Nachdem Urbafin und WVO am 25.Juli Konkurs anmeldeten, gingen die restlichen Häuser an andere Hausverwaltungen, davon 120 Häuser an die „Beletage“. Die wiederum gehört zum Braun/Nelle -Firmenkonsortium (siehe Kasten). „Herr Braun steckt bei bestimmten Objekten noch in persönlicher Schuldhaft und hat deshalb ein Interesse an einer ordentlichen Hausverwaltung“, meint Weißer dazu.

Auf weitergehende Geschäfte mit Braun will Weißer sich nicht einlassen. Er verhandele mit einem neuen Partner. Die Schuld an der finanziellen Misere schiebt Weißer der WBK, Senat und den Hausbesetzern zu. Denn zu deren Zeit habe man für eine Reihe Häuser, die nach §17 gefördert wurden, Mietverträge zu 3,10 Mark pro Quadratmeter schließen müssen statt zu 4,60 Mark, wie eigentlich üblich. Da hätten eben die Mieteinnahmen die Baukosten nicht decken können. Zwar habe die WBK informell eine Nachförderung zugesagt, falls dies nötig werden sollte, tatsächlich aber nie bezahlt. „Und das, obwohl wir unsere Unterlagen schon 1985 eingereicht haben“, beklagt sich Weißer. Auf über zehn Millionen beziffert er die Summe, die der Urbafin in der Kasse fehlt. Wer das nun letztendlich bezahlen wird, ist bei dem unüberschaubaren Firmenimperium schwer vorauszusehen. Aber eigentlich müßten dafür die westdeutschen Anleger geradestehen. Denn die Mehrzahl der Häuser gehören Kommanditgesellschaften. Weißers Dachgesellschaft Bellevue organisiert nur die öffentliche Förderung und vergab die Bauaufträge an die Urbafin. Die Anleger bluten zu lassen, verdirbt aber den Ruf in der Branche. Deshalb versprach die Baufirma Urbafin den Anlegern, ihre Forderung so lange zurückzuhalten, bis die WBK die Nachzahlung leiste. „Wir überlegen uns, gegen die WBK zu klagen“, sagt Weißer.

Bausenator Nagel lehnte jede Stellungnahme ab, die WBK blieb zugeknöpft. „Leider Gottes kann ja heutzutage kaum einer mehr pleite gehen“, sagte ein WBK-Mitarbeiter. „Das sind alles wirtschaftlich voneinander unabhängige Gesellschaften“, meinte Bauverwaltungsvertreter Kujath. Behördenintern brodelt es. Eine Zwangsversteigerung von Dutzenden von Häusern, die mit öffentlichen Geldern modernisiert wurden, wäre eine Katastrophe: Alle Mietbindungen würden wegfallen.

Eva Schweitzer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen