PVAP akzeptiert ihre eigene Entmachtung

■ Resolution des ZK nach kontroverser Debatte fordert Einbeziehung aller politischen Parlamentskräfte in eine Regierung / Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten Mazowiecki wird für Mittwoch erwartet / Prager Reformer Mlynar warnt vor polnischem Reformtempo

Warschau (dpa/ap/taz) - Das Zentralkomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) hat am Samstag in Warschau nach zum Teil heftigen Kontroversen eine Resolution verabschiedet, die die Einbeziehung aller im Parlament vertretenen politischen Kräfte in die Regierung fordert. Das formell höchste Parteigremium fand sich mit der bevorstehenden Regierungsbildung durch den Solidarnosc -Politiker Tadeusz Mazowiecki ab, ohne diese von Staatschef Jaruzelski akzeptierte Entwicklung ausdrücklich zu billigen. Unterdessen kündigte der designierte polnische Ministerpräsident an, seine Regierung werde allen Reformkräften des Landes offenstehen. Mazowiecki wird heute vom Staatspräsidenten offiziell der polnischen Parlamentskammer (Sejm) als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten vorgeschlagen. Die Abstimmung wird frühestens am kommenden Mittwoch stattfinden, doch gilt die Bestätigung Mazowieckis als sicher. Er kann sich im Sejm auf die Fraktionen des Bürgerkomitees Solidarnosc, der Bauernpartei und der Demokratischen Partei stützen, die zusammen 264 der 460 Abgeordnete stellen.

Nur eine Regierung, die breitestes Vertrauen in der Gesellschaft genieße, könne Polen aus der Krise führen, hieß es in der ZK-Resolution. Alle im Parlament vertretenen Kräfte müßten daran teilnehmen. Ob die Partei mit dieser Formulierung das Angebot der Schlüsselpositionen Inneres und Verteidigung in der neuen Regierung annimmt und ob sie an ihre Regierungsbeteiligung Bedingungen knüpft, blieb offen.

Auf einem Solidarnosc-Treffen am Sonntag in Danzig wurde der Jubel über die bevorstehende Regierungsübernahme von zurückhaltenden Einschätzungen kontrastiert: Solidarnosc -Sprecher Onyszkiewitcz sprach von einem sehr riskanten Unternehmen. Teilnehmer der Beratung warnten vor Provokationen der PVAP.

Die sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ hat bereits am Samstag die Nominierung Mazowieckis zum polnischen Premierminister gemeldet. Sie bezeichnete den Kandidaten als Mitglied der „konstruktiven Opposition“. Unterdessen meldete die in Bonn erscheinende 'Welt am Sonntag‘ unter Berufung auf diplomatische Kreise in Brüssel, Moskau plane eine sogenannte „Gorbatschow-Doktrin“, in der die Toleranzgrenzen des Kreml gegenüber den Entwicklungen in den osteuropäischen Staaten definiert werden sollen. Als Essentials nennt das Blatt die Mitgliedschaft im Warschauer Pakt und die Garantie der inneren und äußeren Sicherheit des jeweiligen Landes.

Unterdessen hat sich der ehemalige ZK-Sekretär und führende Reformer während des Prager Frühlings Zdenek Mlynar erneut besorgt über das Reformtempo in Polen geäußert. Im Interesse des osteuropäischen Reformprozesses müsse sichergestellt werden, daß das polnische Projekt die sowjetische Außenpolitik nicht gefährde. Mlynar hatte seinerzeit vergeblich für eine zeitweilig restriktivere Haltung plädiert, um den Reformkurs vor der drohenden militärischen Intervention zu retten.

eis