: Treffen der Neonazis am Heß-Todestag
Zu Ehren des „gefallenen Märtyrers“ Rudolf Heß versammelte sich in Wunsiedel alles, was Rang und Namen unter den bundesdeutschen Neonazis hat / Marsch zum Heß-Grab verboten / Gegendemonstration mit 500 Teilnehmern / 26 Festnahmen ■ Aus Wunsiedel B. Ohne
Wie befürchtet, erlebte die Fichtelgebirgsstadt Wunsiedel am Samstag das Treffen von Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Mit Ausnahme von Michael Kühnen (zuletzt Gründer der verbotenen „Nationalen Sammlung“) waren alle führenden militanten Neonazis samt Gefolgsleuten zum zweiten Todestag des Hitler -Stellvertreters Rudolf Heß gekommen, darunter Thomas Brehl, Thomas Wulff, Jürgen Mosler, Heinz Reisz und Edgar Geiß.
Rund 260 Rechtsextremisten der „Freiheitlichen Arbeiterpartei“ (FAP), der „Nationalen Front“ (NF), der eben erst gegründeten „Nationale Liste“ (NL) und der Wiking -Jugend marschierten zusammen mit Neonazis aus Dänemark, Belgien und Österreich durch die Innenstadt der zehntausend Seelen zählenden Kleinstadt Wunsiedel. Sie wurden von einem starken Polizeiaufgebot begleitet. Die einheimische Bevölkerung begrüßte sie aber größtenteils mit gellenden Pfiffe und Nazi-Raus-Rufen. Ein Marsch zum Heß-Grab war von den Behörden ebenso untersagt worden, wie auch eine Kranzniederlegung am „Ehrenmal“ für die Gefallenen der beiden Weltkriege.
Auf der Abschlußkundgebung pöbelte dann Christian Worch rechte Hand Kühnens - gegen Punks, die Hafen- und die Kiefernstraße, über Journalisten, Richter und Vertreter des Landratsamtes Wunsiedel, die den Neonazis den Aufmarsch zu erst verbieten wollten.
Der FAP-Bundesvorsitzende Friedhelm Busse bezeichnete Heß als einen gefallenen Märtyrer des letzten Krieges und einer Revolution, die „eine Neuordnung in Europa herbeiführen wollte, ohne Hammer und Sichel und ohne Davidstern“. Nicht nur wegen dieses Zitates prüfen Polizei und Staatsanwaltschaft, ob sie ein Ermittlungsverfahren wegen Verunglimfung, Verächtlichmachung und Beleidung einleiten sollen. Die Polizei zeigte starke Präsenz. Allein dies verhinderte wohl Sachbeschädigungen und Schlägereien zwischen den Rechtsradikalen und AntifaschistInnen. Insgesamt gab es 26 vorübergehende Festnahmen. Sie wurden in den „polizeilichen Unterbindungsgewahrsam“ genommen. Die Polizei sah sich gestern nicht in der Lage, die mit haftrichterlichem Beschluß Inhaftierten den Neonazis oder den AntifaschistInnen zuzuordnen. Die Liste der Straftaten, wegen der nun ermittelt wird, umfaßt das Tragen verfassungswidriger, verbotener Kennzeichen, das Mitführen von NSDAP-Propagandamaterial, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und illegaler Waffenbesitz. Vor dem Neonazi-Aufmarsch zogen rund 500 Gegendemonstranten durch Wunsiedel. Sie wollten „Flagge zeigen“ gegen den Kult der Neonazis, während Bürgermeister Walter die Bevölkerung aufrief, zu Hause zu bleiben.
Für Wunsiedels Bürgermeister Karl Walter (CSU) sind die Journalisten daran Schuld, daß nunmehr schon zum dritten Mal ein Neonazi-Treffen in der oberfränkischen 10.000-Einwohner -Stadt zum Tod des Hitler-Stellvertreters stattgefunden hat.
Rund 100 Rechtsextremisten fuhren anschließend am Samstag zu einem sogenannten Kameradschaftsabend ins 30 Kilometer entfernte Kulmain/Oberpfalz, wo sie einen Saal in einer Gaststätte angemietet hatten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen