: Stromer sollen Pleite selber zahlen
Nach dem Finanzgerangel um den Hochtemperatur-Reaktor in Hamm-Uentrop will Bonn das Atomgesetz ändern / Riesenhuber reagiert mit windigem Dementi auf Meldungen über seine Rolle beim Tod des THTR ■ Von Jakobs/Rosenkranz
Düsseldorf/Berlin (taz) - Die Bundesregierung will das Schlupfloch im Atomgesetz stopfen, durch das sich die Stromkonzerne - wie im Fall des des Hochtemperaturreaktors THTR-300 in Hamm-Uentrop vorexerziert - nach einer freiwilligen oder technisch erzwungenen Stillegung ihrer Atomanlagen elegant aus der finanziellen Verantwortung stehlen können.
Da eine ganze Reihe von AKW-Betreibern - neben dem THTR 300 z.B. auch beim Schnellen Brüter in Kalkar und beim AKW Mülheim-Kärlich - als eigenständige „Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ (GmbH) firmieren, können sich die hinter ihnen stehenden Stromkonzerne nach herrschender Juristenmeinung dem Zugriff auf ihr Kapital locker entziehen. Geht die Betreibergesellschaft pleite, ist eine sogenannte „Durchgriffshaftung“ auf die Muttergesellschaften nicht möglich, Stillegungs- und Abbrucharbeiten werden vom Staat, also letztlich vom Steuerzahler, getragen.
Im mit zuständigen Bundesumweltministerium hieß es gestern, man arbeite bereits seit Ende vergangenen Jahres an der Beseitigung derartiger Haftungslücken. Forschungsminister Riesenhuber rechnet wegen der, wie es heißt, äußerst schwierigen Rechtsmaterie nicht mehr in dieser Legislaturperiode mit Gesetzeskorrekturen. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte die Diskussion über die Gesetzeslücke bereits Anfang des Jahres mit einer Bundesratsinitiative angeschoben und dafür auch Zustimmung von unionsregierten Ländern erhalten.
Unterdessen hat Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber die Darstellung der 'Frankfurter Rundschau‘ zurückgewiesen, wonach er selbst lange vor der Entscheidung der Düsseldorfer Landesregierung zur endgültigen Stillegung des THTR das Aus für den Hammer Pannenreaktor geplant und für den Abbruch der Gespräche plädiert habe.
Die Zeitung, die aus einen Briefentwurf vom 3.8.1989 des Riesenhuber-Ministeriums an die THTR-Betreiber in ihrer Montagsausgabe zitierte, habe, so der Pressesprecher des Bundesforschungsministers, Patermann, zur taz, nicht den von der Ministeriumsspitze autorisierten Brief zitiert, sondern eine „erste Beamtenfassung“, die eine entscheidene Passage nicht enthalten habe.
Diese Darstellung des Ministeriums ist alles andere als überzeugend. Tatsächlich endet der am 3.August nach Düsseldorf geschickte Entwurf, der von NRW-Finanzminister Schleußer unterschrieben werden sollte, mit der Aussage, daß die staatliche Seite gegenüber den THTR-Betreibern „keine Möglichkeit“ mehr sehe, „weitere Gespräche zu führen“. Hätte Schleußer diesen Entwurf unterschrieben, wäre das Scheitern für den von Riesenhuber bis dahin favorisierten zweijährigen Auslaufbetrieb für den Reaktor schon am 3.August wirksam geworden. Düsseldorf stimmte zu diesem Zeitpunkt dem Briefentwurf nicht zu, weil - so heißt es in einer Stellungnahme des Finanzstaatssekretärs - man weiter von der Gesprächsbereitschaft der Betreiber ausgehe und diese „aufgreifen“ wolle.
Das Bonner Forschungsministerium verbreitet nun, daß der erste Entwurf nicht von der Leitungsebene autorisiert worden sei. Anfragenden Journalisten wurde der „zweite“ Entwurf am Dienstag aus Bonn gefaxt.
Dieser Brief gleicht Wort für Wort dem Entwurf vom 3.August mit einer Ergänzung: Am Ende wurde handschriftlich folgender Satz eingefügt: „Bund und Land stehen weiterhin zu ihrem Angebot (zweijähriger Auslaufbetrieb, d.Red.), wir würden es begrüßen, wenn sie sich kurzfristig zu dessen Annahme entschließen könnten.“
Allein auf diese handschriftliche Ergänzung - wann wurde die gemacht? - beruft sich das Riesenhuberministerium in seinem Dementi des 'FR'-Berichtes.
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