Saarland klagt weiter gegen AKW Cattenom

Umweltminister Leinen klagt gegen den Beschluß der französischen Regierung, die Ableitung für radioaktive Stoffe des Atommeilers an der Mosel zu genehmigen / Paris setzte sich über die Entscheidung des französischen Staatsrates hinweg  ■  Aus Trier Thomas Krumenacker

Als Reaktion auf die neuerlich erteilte Ableitungsgenehmigung für radioaktive Stoffe aus den Blöcken zwei und drei der Nuklearzentrale Cattenom hat das Saarland eine weitere Klage gegen den Ausbau des Atomgiganten angekündigt. Wie der Sprecher des saarländischen Umweltministeriums, Roland Lattwein, am Montag gegenüber der taz erklärte, richte sich die Klage gegen die „illegale Aufrüstung“ der beiden Blöcke von ursprünglich 900 auf 1.300 Megawatt je Block. Die erneute Klage vor dem Straßburger Verwaltungsgericht werde innerhalb der nächsten zwei Monate eingereicht, kündigte Lattwein an.

Ziel sei neben dem Versuch des Saarlandes, alle juristischen Möglichkeiten gegen die Atomzentrale auch auszuschöpfen, die öffentliche Diskussion um die Atomenergie in Frankreich anzuregen. Kritik an der saarländischen Linie gegenüber Cattenom äußerten unterdessen die Grünen. Pressesprecher Uwe Grieger sagte der taz am Montag, die Landesregierung setze zu sehr ausschließlich auf die „juristische Schiene“. Die politische Ebene der Auseinandersetzung mit dem Nachbarstaat werde aus „Konfliktscheu völlig ausgespart“. Grieger warf der Regierung vor, mit „symbolträchtigen Aktionen“ wie dem Stopp der Atomtransporte durch die Saarbrücker Innenstadt auf Wählerfang zu gehen, während sie in ihrem täglichen Regierungsgeschäft etwa die Ansiedlung der La Hague -Betreibergesellschaft Cogema in Saarbrücken über die Saarbrücker Firma Interuran zuließe.

Der weitere Ausbau der umstrittenen französischen Atomzentrale Cattenom an der Obermosel scheint unterdessen kaum noch verhinderbar zu sein. Nachdem der französische Staatsrat, die oberste nationale Verwaltungsgerichtsinstanz, in einer spektakulären Entscheiundg am 30.Juni die Genehmigung für radioaktive Ableitungen aus den Blöcken III und IV verworfen hatte, reagierte die französische Regierung jetzt in gewohnter Manier: Die illegalen Ableitungsgenehmigungen wurden durch neue, nach Angaben des saarländischen Umweltministeriums textgleiche, Bescheide ersetzt.

Diesen „Genehmigungs-Swap“ hatte die EDF bereits 1988 mit den - mittlerweile Strom produzierenden - Blöcken I und II erprobt. Formal zulässig ist dieser rechtliche Schleichweg deshalb, weil der Staatsrat die Genehmigungsbescheide mit der Begründung verworfen hatte, die französische Regierung habe sie nicht rechtzeitig an die EG-Kommission weitergeleitet. Damit habe Frankreich gegen den Euratom -Vertrag verstoßen. Nachdem diese - laut EDF - „Formalie“ nun offenbar eingehalten wurde, sehen die Atomstrategen jetzt kein weiteres Hindernis für den ungehemmten Ausbau Cattenoms zu einer der größten Atomzentralen der Welt mit einer Leistung im Endbetrieb von rund 5.300 Megawatt.

Nicht ausgeräumt ist freilich eine juristische Niederlage vor dem Straßburger Verwaltungsgericht, wonach nicht nur die Ableitungs-, sondern die gesamte Baugenehmigung für die beiden Blöcke rechtswidrig ist. Hintergrund: Die FDF hatte beim öffentlichen Genehmigungsverfahren nur Unterlagen vorgelegt, die eine Kapazität von je 900 Megawatt auswiesen. Noch während des Genehmigungsverfahrens wurden die Blöcke aber auf je 1.300 Megawatt hochgerüstet. Die Betreiber der Atomzentrale, deren ersten beiden Blöcke seit drei und zwei Jahren Strom liefern, rechnen nun damit, daß Block drei - er befindet sich derzeit im Nicht-nuklearen Probelauf - schon im Februar kommenden Jahres ans Netz gehen kann. Block IV soll ein Jahr später folgen.

Die Bundesregierung hält in Bezug auf die radioaktiven Ableitungen aus den bereits betreibenen Blöcken eins und zwei „keine weiteren politischen Schritte gegenüber Frankreich für geboten“. Das geht aus einer am Wochenende in Trier veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der grünen Abgeordneten Heike Wilms-Kegel hervor. Das Umweltministerium glaubt, die mit dem Nachbarstaat verabredeten, nach Ansicht von Kritikern aber nicht rechtsverbindlichen Grenzwerte für radioaktive Ableitungen in die Mosel lägen „unterhalb jeder Gefahrenschwelle“. Dem steht aber selbst ein Bericht der EDF entgegen. In dem Sicherheitsbericht für Cattenom ist bei Vollbetrieb mit einer Mindestabgabe von 2,8 Curie (über 100 Milliarden Becquerel) pro Block und Jahr zu rechnen.