: „Die Genossen müssen rehabilitiert werden“
■ Stalin lieferte Bremer KP'ler an die Gestapo aus
Vor 50 Jahren, am 23. August 1939, hat das Mutterland des Kommunismus einen Pakt mit dem deutschen Nazi-Regime, seinem ärgsten Todfeind, geschlossen. Bis auf den heutigen Tag ist dieser Hitler-Stalin-Pakt in der kommunistischen Bewegung heftig umstritten. (vgl. S. 6/7) Von einem Tag auf den anderen mußten die Kommunisten im Deutschen Reich den antifaschistischen Kampf aufgeben.
Johann Reiners, Mitglied der KPD bis 1956, erinnert sich an die Reaktionen seiner Bremer Genossen: „Wir waren sprachlos und suchten nach einer Erklärung. Einige von uns glaubten sogar, daß Hitler nun seine nationalbolschewistischen Versprechen aus den 20er Jahren wahrmachen wollte. Das stimmte natürlich nicht, aber wir hatten ja damals so gut wie keine Informationen.“
Den englischen BBC oder „bei schlechtem Wetter Radio Moskau“ konnten die Bremer damals illegal abhören. „Für mich war klar, daß Stalin Zeit gewinnen wollte, denn niemand konnte damit rechnen, daß England oder Frankreich wegen Polen in einen Krieg eintritt.“
Der Pakt bedeutete die gegenseitige Anerkennung der Grenzen der beiden Großmächte Deutschland und UDSSR. Politisch brisant war er aber auch, weil nach dem 2. Weltkrieg ein „Geheimes Zusatzprotokoll“ im Archiv deutschen des Außenministeriums gefunden worden war: Dort war
vereinbart, daß Polen zu gleichen Teilen zwischen der UdSSR und Deutschland aufgeteilt werden sollte, die baltischen Republiken gingen an die Sowjetunion. Jahrelang hatten die Historiker der KPdSU das Zusatzdokument zur Fälschung erklärt, 50 Jahre nach der Vertragsunterzeichnung bestätigen die Sowjets nun die Echtheit.
„Natürlich wußte die SU aus der Programmatik der deutschen Faschisten, daß sie unmittelbar von einem militärischen Angriff bedroht war“, erklärt der Sekretär für Öffentlichkeitsarbeit beim Bezirksvorstand der DKP Bremen, Horst Otto. „Deshalb mußte sie irgendwie reagieren.“ Ohne Zweifel habe der Pakt eine „hemmende und blockierende Wirkung“ auf den antifaschistischen Kampf ausgeübt.
Bis heute sind die 800 Kommunisten, die vor der Verfolgung durch die Nazis in der UdSSR politisches Asyl gesucht hatten, an die Gestapo ausgeliefert wurden, nicht rehabilitiert worden. Unter ihnen waren die Bremer Heini und Wilma Landwehr von der Kommunistischen Jugend.
„Natürlich müssen die Genossen heute rehabilitiert werden“, erläutert Otto der taz, aber man müsse auch die besondere Situation der Sowjetunion betrachten. Damals sei die These gewesen: „Verschärfung der Klassenkämpfe im Inneren, Hinhalten des äußeren Gegners um jeden Preis.“
mad
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen