: Schwarze Kunst: Das Werkzeug des Setzers
Das Werkzeug des Setzers: Schiff mit (v.l.n.r.) Setzlinie, Winkelhaken, Ahle, Pinzette und Kolumnenschnur
„Hurenkinder“ und „Schusterjungen“ sind der aufmerksamen Leserin unserer „Berichtigung“ sicher keine Fremdwörter mehr. Aber was sind „Flebben“? Was bezeichnet man mit „Abkreischen“? Warum ist eine „Hochzeit“ ärgerlich und ein „Leichenbegängnis“ eine durchaus amüsante Sache? Wir blätterten im Lexikon der Schwarzen Kunst, dem Gewerbe, dem auch die taz ihre Existenz zu verdanken hat, und stellen die Fundstücke in einer kleinen Serie vor. Heute: der Gautschbrief unserer Layouterin und was es mit dem „Gautschen“ auf sich hat.
Gegen Ende des 18.Jahrhunderts ging es mit dem Deponieren und Postulieren (alte Praktiken zur Aufnahme in den Gehilfenstand) zu Ende, und man sann nach neuen, weniger aufwendigen und nicht allzu rauhen Möglichkeiten, aus einem ausgelernten Lehrling einen richtigen, brauchbaren Gehilfen zu machen. Dafür sollte allerdings auch ein neuer Name stehen. Nun gab es quasi in der Verwandtschaft, bei den Papiermachern, eine Verrichtung, und zwar das Gautschen, mit dem diese das Papier erst zu etwas richtig Brauchbarem machten. In ihrer Fachsprache bedeutete das Gautschen das Pressen von Papierbahnen, um das Wasser daraus zu entfernen.
Irgendwie hat das Wort bei den Jüngern der Schwarzen Kunst Gefallen gefunden, und da Wasser hier wie dort eine Rolle spielte, nannten sie das nicht mehr so rigorose Gesellenmachen Gautschen. Und dabei blieb es bis heute. Beim Gautschen wird der Kandidat von den Packern auf einen nassen Schwamm gesetzt, ebenso in eine Wanne mit Wasser getaucht, und auch Sprüche werden geklopft, zum Beispiel ist ein bekannter Gautschspruch:
Packt an, Gesellen,
laßt seynen Corpus Posteriorum fal len auf diesen nassen Schwamm,
biß trieffend beide Ballen.
Der durst'gen Seele gebt ein Sturz bad obendrauff,
das ist dem Sohne Gutenbergs die al lerbeste Tauff.
Dazu gibt es die in den allermeisten Fällen humorvoll abgefaßte urkundliche Bestätigung des Gautschens, den Gautschbrief. Daß der Text nicht gar so zimperlich war, mag die drastische Inschrift eines Gautschbriefes verdeutlichen, der vor mehr als hundert Jahren in Bern ausgestellt wurde:
Den alten Kunstgebrauch zu ehren,
tät er sich weder sträuben noch wehren.
Erhielt die üblichen drei Stöße auf den Arsch.
und zappelte dabei wie ein Barsch.
Darauf bezahlte er blank und bar
Das altbekannte Gautschhonorar.
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