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Die lästige „öffentliche Bindung“ der Sparkassen

Der Zwang zur Gewinnorientierung und der Privatisierungsdruck auf die kleinen Geldhäuser nehmen weiter zu / PolitikerInnen sollen draußen bleiben  ■  Von Jörg Reinbrecht

Die Sparkassen stellen die größte Gruppe innerhalb der bundesdeutschen Kreditwirtschaft dar. Und sie sind öffentlich-rechtliche Unternehmer. Eigentümer sind entweder die Kommunen oder die Landkreise. Die Sparkassen haben einen öffentlichen Auftrag, der in den Sparkassengesetzen der Bundesländer festgeschrieben ist. Sparkassen haben sich also mit ihrer Geschäftspolitik an den Interessen ihres Gewährträgers (Kommune oder Landkreis) und der Bürger zu orientieren. Die Kommunalpolitiker können ihr Kreditinstitut nicht nur als kommunale Hausbank, sondern auch für die Struktur- und Sozialpolitik nutzen. Zudem muß eine Sparkasse eine soziale Gebührenpolitik gegenüber dem Bürger betreiben, wenn sie ihrem öffentlichen Auftrag gerecht werden will.

Trotzdem vollzieht sich seit vielen Jahren eine Entwicklung im Sparkassensektor weg von der Kommune, weg vom öffentlichen Auftrag. Die Sparkassen, insbesondere deren Vorstände, wollen hin zu einer ganz normalen Bank. Die öffentliche Bindung ist ihnen lästig. Aber es gibt auch noch einige Politiker und Funktionäre der Sparkassenorganisation, die die Sparkasse als kommunalpolitisches Instrument bzw. die Landesbank als landespolitisches Instrument erhalten wissen möchten. Im Sparkassen- und Giroverband werden zur Zeit heftige Auseinandersetzungen geführt, wie es mit der Sparkassenorganisation weitergehen soll.

Die einen sind vor allem die Vorstände der großen Sparkassen und der Landesbanken, Teile der Sparkassenorganisation und der CDU und allen voran die FDP. Sie wollen die bestehenden Bindungen mit dem Gewährträger und die gesetzlichen Beschränkungen bei der Geschäftstätigkeit aufheben. Sie verfolgen im wesentlichen folgende Ziele:

-Aufhebung des Regionalprinzips,

-Aufhebung bestehender Beschränkungen bei der Geschäftstätigkeit, etwa bei Wertpapiergeschäften,

-Abbau der Mitwirkungsrechte der Verwaltungsräte,

-Hereinnahme von privatem Kapital.

Sie sind zur Zeit mit ihrer Politik sehr erfolgreich, was besonders durch die Änderung des Kreditwesengesetzes und die Steuerreform deutlich geworden ist. Hier wurden nämlich die auf Grund der sparkassenspezifischen Situation erforderlichen Sonderregelungen beim Eigenkapital und bei der Besteuerung verweigert. Diese Sonderregelungen sind nötig, um einer Sparkasse neben ihrem öffentlichen Auftrag die nötige Eigenkapitalbildung zu ermöglichen. Sparkassen können eben nicht, wie andere Banken, das nötige Eigenkapital auf dem Kapitalmarkt beschaffen. Deshalb war diese Entscheidung von CDU/CSU und FDP der erste Schritt in Richtung Privatisierung der Sparkassen.

Die andere Seite besteht aus den Vorständen kleiner Sparkassen, Teilen der Sparkassenorganisation, Teilen von CDU/CSU und SPD und den Grünen. Sie wollen eine öffentlich -rechtliche Sparkassenorganisation mit öffentlichem Auftrag, wobei natürlich jede dieser Gruppierungen etwas anderes unter dem öffentlichen Auftrag versteht.

Einigkeit dürfte zumindest darin bestehen, daß Sparkassen und Landesbanken als wichtiges wirtschafts- und strukturpolitisches Mittel genutzt werden können, etwa durch Sonderkreditprogramme, Kapitalbeteiligungsgesellschaften und ein flächendeckendes und soziales Angebot von Gelddienstleistungen. Die Grünen sind allerdings die einzige Gruppierung, die die Möglichkeiten, die ein öffentlich -rechtlicher Sparkassensektor für eine umwelt- und beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik bietet, voll nutzen wollen (s. Literaturangabe)

Der Spielraum für eine soziale, umwelt-und beschäftigungsorientierte Sparkassenpolitik ist sicherlich viel größer, als die Vorstände der Sparkassen „ihren“ Verwaltungsräten weismachen wollen. Er wird jedoch dadurch begrenzt, daß jede Sparkasse sich ihr Eigenkapital nur aus Gewinnen erwirtschaften kann. Daraus folgt, daß alle Maßnahmen bekämpft werden müssen, die den Zwang der Sparkassen zur Gewinnorientierung erhöhen. Denn dieser Zwang führt zwangsläufig zur Aushöhlung des öffentlichen Auftrags und damit zur Aufgabe staatlicher Politikmöglichkeiten.

Die von CDU/CSU und FDP vorgenommene Anhebung der Körperschaftssteuersätze für Sparkassen und der im Rahmen der Novellierung des Kreditwesengesetzes versagte Haftungszuschlag, der die Nachteile der Sparkassen bei der Eigenkapitalbeschaffung ausgleichen könnte, haben den Zwang zur Gewinnorientierung bei den Sparkassen verstärkt. Trotzdem läßt die gute Ertragslage der meisten Sparkassen aber noch erheblichen Spielraum für eine bessere, am öffentlichen Auftrag orientierte Geschäftspolitik. Dieses könnte sich jedoch bald ändern.

Im Rahmen des geplanten gemeinsamen Binnenmarktes der EG wird nämlich auch eine Harmonisierung der Bestimmungen der Kreditvergabemöglichkeiten und damit auch der Eigenkapitalanforderungen an das Kreditgewerbe durchgeführt. Damit sollen gleiche Marktchancen für alle Kreditinstitute gewährleistet werden. Zu diesem Zweck hat ein mit Vertretern der Zentralbanken besetzter „Ausschuß für Bankenbestimmungen und -überwachung“ ein Papier vorgelegt, das eine Harmonisierung der Eigenkapitalanforderungen und -definitionen bis zum Jahre 1993 vorschlägt. Die dort vorgeschlagenen Mindestanforderungen an das Eigenkapital von acht Prozent (Verhältnis von Eigenkapital zu risikobehafteten Aktiva) sind vor kurzem vom EG-Ministerrat beschlossen worden und müssen nun in nationales Recht umgesetzt werden.

Der Eigenkapitalbegriff wird bei diesen erhöhten Anforderungen zukünftig allerdings weiter gefaßt sein als nach geltendem BRD-Recht. Der in der BRD übliche Eigenkapitalbegriff (Grundkapital und Rücklagen bzw. bei Sparkassen Dotationskapital und Rücklagen) wird zukünftig als „enges Eigenkapital“ bezeichnet werden. Nach der neuen Regelung muß ein Kreditinstitut zukünftig mindestens vier Prozent dieses engen Eigenkapitals vorweisen. Die übrigen vier Prozent dürfen aus „weichem Eigenkapital“ bestehen. Dazu gehören insbesondere die stillen Reserven, bestimmte Rückstellungen und Genußscheine.

Mit der vorgesehenen Acht-Prozent-Regelung dürften einige Sparkassen in Schwierigkeiten kommen. Das Problem wird dabei nicht die Vier-Prozent-Marge des engen Eigenkapitals sein, sondern die insgesamt geforderten acht Prozent Eigenkapital. Für die betroffenen Sparkassen heißt das:

-verstärkte Bildung von Rücklagen,

-eventuell die Hereinnahme von stillen Gesellschaftern,

-eventuell Ausgabe von Genußrechtskapital.

In allen drei Fällen bedeutet dies die Hinwendung zum erwerbswirtschaftlichen Prinzip und geht bis zur (Teil -)Privatisierung, wenn auch bei einer Beteiligung über Genußscheine, die am Gewinn und Verlust beteiligt sind, das Mitwirkungsproblem umgangen werden könnte.

Einziger Ausweg wäre die Zuführung von Eigenkapital durch den Gewährträger (Dotationskapital). Nur dann wäre die uneingeschränkte Wahrnehmung des öffentlichen Auftrages weiterhin gewährleistet. Doch die meisten Kommunen sind schon hoch genug verschuldet. Die Stadtkämmerer werden kaum das Bedürfnis verspüren, auch noch Millionenbeträge in ihre Sparkasse zu investieren. So bleibt im Ernstfall nur noch die Herausgabe von Genußrechten. Denn nur dann wird zumindest die Teilnahme von Privatpersonen an der Geschäftspolitik der öffentlichen Sparkassen verhindert.

So ergibt sich, daß die „Vertreter des öffentlichen Auftrages“ ihr Augenmerk verstärkt auf die Eigenkapitalfrage lenken müssen. Dabei ist wichtig, daß zunächst versucht wird, auf die Entwicklung der entsprechenden EG-Richtlinien Einfluß zu nehmen. Des weiteren muß darauf geachtet werden, wie diese Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wird. Es muß befürchtet werden, daß die Bundesbank und das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen eine möglichst enge Auslegung des Eigenkapitalbegriffes durchsetzen wollen, was die Probleme einzelner Sparkassen verschärfen wird.

Doch nicht nur die einzelnen Sparkassen, sondern auch ihre Zentralbanken, die Landesbanken, bereiten sich auf den EG -Binnenmarkt vor. Auch hier sind Fusionen und Privatisierungen im Gespräch. Nachdem das Land Hessen seinen Anteil an der Hessischen Landesbank verkauft hat, wird diese Diskussion auch in anderen Bundesländern geführt. So verhandelt zur Zeit der niedersächsische Sparkassen- und Giroverband mit dem Land über den Verkauf der Norddeutschen Landesbank an den Sparkassenverband. Ziel des Verbandes ist dabei, eine leichtere Fusionsmöglichkeit mit anderen Landesbanken zu ermöglichen - und den lästigen Einfluß der Politiker auf das Bankgeschäft zu verringern.

Siehe auch: Angelika Buchholz, Umwelt- und beschäftigungsorientierte Kreditpolitik durch die Reorganisation des Sparkassensektors. PIW-Forschungsbericht Nr.1, Bremen 1985 (Studie im Auftrag grüner und alternativer Sparkassen-Verwaltungsräte)

Der Autor ist Bankkaufmann und arbeitet für die Grünen im Verwaltungsrat der Stadtsparkasse Hannover

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