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Berliner Gerangel um Veba-Kredit

Heute verhandelt Umweltsenatorin Schreyer mit dem Strommonopolisten Bewag über Höhe und Verwendung des Bennigsen-Kredits  ■  Von Tillack/Rosenkranz

Berlin (taz) - Zwischen der Berliner Umweltsenatorin Michaele Schreyer und dem lokalen Stromversorger Bewag bahnt sich ein Streit um die energiepolitischen Perspektiven der Stadt an. Der Anlaß: das Ei, das ihnen Rudolf von Bennigsen -Foerder, Chef des Veba-Konzerns vor einigen Wochen ins Nest gelegt hat. Es geht um einen Kredit in Höhe von vermutlich 100 Millionen Mark, den Bennigsen-Foerder in Aussicht gestellt hatte, damit Investitionen in strom- oder energiesparende Technologie gemacht werden könnten (s.taz vom 15.8). Die ungewöhnliche Offerte des größten Atomstromproduzenten der Republik an den rot-grünen Senat ist mittlerweile in fast jeder Hinsicht umstritten. Weder ist klar, wie hoch der Kredit sein wird, noch, wer den Rubel letztlich rollen läßt. Am heftigsten umstritten ist jedoch, wie der unverhoffte Geldregen verwendet werden soll.

Kaum war das großherzige Veba-Angebot am vorletzten Wochenende öffentlich geworden, da rumorte es schon zwischen Umweltsenatorin Schreyer und dem mehrheitlich senatseigenen Berliner Stromversorger Bewag. Streitpunkt Nummer eins: die Höhe des Millionen-Kredits, den Bennigsen dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper bisher nur mündlich in Aussicht gestellt hat. Während die von der Alternativen Liste bestellte Umweltsenatorin verkündete, 100 Millionen bildeten bei der von Bennigsen telefonisch bekräftigten „neunstelligen Summe“ logischerweise das absolute Minimum, mault der lokale Strommonopolist bereits bei diesem Betrag. Denn die Bewag soll die Summe aufbringen. Auf gar keinen Fall dürfe es mehr werden, meinte Bewag-Sprecher Möller gegenüber der taz. Nur nebenbei hatte Bennigsen in der Momper-Runde erwähnt, daß nach seinen Vorstellungen der Kredit von der Bewag nicht von der Veba aufzubringen sei. In der Pose des Grandseigneurs schickte er sich an, über die Konten eines Unternehmens zu verfügen, von dessen Aktien die Tochter „seines“ Veba-Konzerns, die Preussen Elektra, gerade mal zehn Prozent hält.

Die entscheidende Auseinandersetzung jedoch dreht sich um die Frage, was der Senat mit den zusätzlichen Millionen anfangen soll und wer darüber zu befinden hat. Dazu gibt es eine Vorgeschichte, die in Schleswig-Holstein spielt: Als im vergangenen Jahr SPD-Ministerpräsident Björn Engholm ins Kieler Landeshaus einzog und die Stillegung der drei schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke ankündigte, war Bennigsen mit seinem ersten 100-Millionen-Kredit zur Stelle, angeblich eine Goodwill-tour zur Entspannung der gereizten Atmosphäre zwischen den Kieler Möchtegernaussteigern und der Veba-Tochter Preag. Nach anfänglicher Skepsis gegenüber der ungewöhnlichen Offerte - allgemein wurde gemutmaßt, der Veba -Manager führe nichts anderes im Schilde, als die Unmöglichkeit des Energiesparens vorzuführen - ließ Engholm schließlich alle Bedenken fallen, unterzeichnete im April gemeinsam mit Bennigsen einen sogenannten „Energiesparvertrag“ und feierte die „unkonventionelle Kooperation“ überschwenglich als „richtungweisend“.

Dieser Wertung möchte sich die Berliner Umweltsenatorin nicht anschließen. „Dem Modell Schleswig-Holstein wollen wir auf keinen Fall folgen“, tönt es schon im Vorfeld der morgigen Sitzung aus dem Hause Schreyer. Und tatsächlich entpuppt sich bei näherem Hinsehen schon der Name des norddeutschen Vertragswerks als Etikettenschwindel. Denn nicht Energie soll da gespart werden, sondern ausschließlich Strom. Ausdrücklich und einvernehmlich wurde vereinbart, daß „Stromsparen durch rationellere Stromanwendung und nicht durch Ersatz der Stromanwendung erzielt wird“. Ausgeschlossen werden also zum Beispiel der Verzicht auf energiefressende Stromheizungen oder elektrische Warmwasserbereitung und der Bau von Blockheizkraftwerken, die Strom und Wärme gleichzeitig liefern und deshalb die eingesetzten Energieträger viel effektiver ausnutzen. Nur eine solche Energie-Strategie führt jedoch zu erheblichen Einsparungen.

Derart in ein nicht sehr erfolgversprechendes Korsett gezwängt, will die Kieler Landesregierung für 50 Millionen Mark die konventionellen Lampen in öffentlichen Gebäuden durch Stromsparleuchten ersetzen, außerdem ein Programm zur energetischen Optimierung der Straßenbeleuchtung auflegen und für „weitere Projekte des öffentlichen Stromsparens im öffentlichen Bereich“ zusätzlich 38,5 Millonen Mark aufbringen. Schließlich planen Land und Veba ein gemeinsames Institut zur Erforschung rationeller Stromanwendung.

Unterstützt von der AL hat Michaele Schreyer nun für Berlin ein Kontrastprogramm zu dem Kieler Vertrag angekündigt. Sie möchte mit dem Millionenkredit Schritte in eine andere Energieerzeugungsstruktur unternehmen und vorrangig den Bau von Solarstromanlagen und Blockheizkraftwerken fördern. Beide Projekte sind geeignet, der Bewag das Wasser abzugraben. Denn wer seinen Strom selbst erzeugt, nimmt bei der Bewag weniger ab.

Der lokale Strommonopolist hat schon reagiert. Unter Berufung auf einen Konzessionsvertrag aus den dreißiger Jahren will das formal vom Senat beherrschte Unternehmen der Stadt Berlin per Gerichtsbeschluß die Eigenproduktion von Strom verbieten. Flankierend polemisiert das Springer-Blatt 'Morgenpost‘ heftig gegen Michaele Schreyers Sonnen-Träume. Unter Berufung auf nicht namentlich genannte „Stimmen“ warf die Zeitung der Senatorin am Sonntag unseriöse Vorstellungen und „Effekthascherei“ vor. Vermutlich sitzen ihr genau diese „Stimmen“ bei der morgigen Sitzung gegenüber.

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