: KüMo-Schiffer soll nicht einsam sein
■ Wie Arbeitsschützer ein soziales Problem lösen: Umbau des Deckshauses
Das wußten wir schon: daß der Seemann, wenn er sein Liebchen weinend an der Pier zurückläßt, einsam ist. Daß er aber von dop
pelter Einsamkeit gepeinigt wird, während er sich an Bord befindet, der Einsamkeit mitten in der Mannschaft, im Bordalltag, da muß uns die Bundesanstalt für Arbeitsschutz erst drauf stoßen. Findige SoziologInnen entdeckten eine neue Vereinzelung an und unter Deck, die zu „psychischer Gefährdung führt“ und sich „auf den Schiffsbetrieb negativ auswirken kann“. Die Ursachen dafür haben die Forscher in der ökonomischen und technologischen Entwicklung der Schiffahrt in den letzten 15 Jahren ausfindig gemacht: immer weniger Hände an Bord, immer cityfernere Liegeplätze durch immer mehr Containerumschlag, immer kürzere Liegezeiten im Hafen.
Wissenschaftlich mangelhaft begleitet wurde bislang das KüMo, das Küstenmotorschiff als
wenig spektakuläres Objekt, aber die neue Krankheit der Seelaute bricht auch dort aus. Im einst familiären Bordbetrieb ist die Hierarchie durcheinandergeraten, statt Eigner fährt immer häufiger ein Leihkapitän, und auch hier führt die geringe (7 -11) Zahl von Seeleuten zum Verlust des Gruppengefühls. Wenige Spezialisten schaffen an einsamen Arbeitsplätzen.
Weil eine Bundesanstalt die gesellschaftlichen oder gar ökonomischen Rahmenbedingungen nicht ändern kann, verfiel man auf die Bauweise der Schiffe. Die traditionelle KüMo -Architektur hat zu viele getrennte Räume (Offiziers-und Manschaftsmesse sind out, team-work ist in), zu trennende Flure und Treppenhäuser, weit verstreute Freizeiträume. Listige Inneneinrichtung
soll erreichen, daß weniger Video geguckt und Rum gesoffen wird. Das Hamburgische Institut für Arbeitswissenschaft entwarf eine „Deckshausvariante, welche die traditionellen Problempunkte ... vermeidet und Isolationseffekte abbaut.“ Die MS „Blue Bird“ aus Hamburg wurde dementsprechend umgestaltet und bietet nun beispielhafte Sitzecken, eine Team-Messe, eine Bar („Treffpunktbereich“). Die Wissenschaft ist allerdings skeptisch, ob sich andere Reeder ihrem Modell anschließen werden; Ausflaggung und Zweitregister stehen für die angespannte wirtschaftliche Lage der Schiffahrtsbranche. Fraglich ist, ob irgendein Reeder Investitionen zugunsten der seelischen Situation philippinischer Seeleute tätigen wird.
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