: Keinen Cent fürs Pentagon
Ein US-amerikanisches Ehepaar weigert sich seit 1977, Kriegssteuern zu zahlen ■ Von Anna Gyorgy
Randy Kehler und seine Frau Betsy Corner haben Prinzipien. Und die besagen: kein Geld für Waffen. Seit 1977 zahlen sie aus Protest gegen die Produktion von Atomwaffen und später auch gegen die Intervention in Mittelamerika keinen Einkommensteueranteil mehr an die Bundesbehörden in Washington. Die Gelder flossen statt dessen an Obdachlose in Massachusetts, an Vietnam-Veteranenverbände oder ein Frauenhaus. Im Laufe der Jahre wurden so rund 27.000 Dollar an nationalen „Kriegssteuern“ umgewidmet. Bis den Beamten des Bundesfinanzamtes nach all den Jahren der Mahnungen und Warnungen der Kragen platzte: Im März 1989 wurde dem Paar, das in Massachusetts lebt, mitgeteilt, sein Haus sei beschlagnahmt und werde öffentlich versteigert. Der 44jährige Kehler: „Blutgeld zahlen wir der Bundesregierung auch jetzt nicht.“
Daß kurz darauf eine Unterstützungskampagne, an der Tausende in den ganzen USA teilnahmen, begann, liegt sicherlich daran, daß Randy und Betsy als langjährige AktivistInnen der Anti-AKW- und der Friedensbewegung bekannt sind. Randy Kehler ist einer der Mitbegründer der amerikanischen Freeze-Kampagne Anfang der achtziger Jahre, die ein Einfrieren der Nukleararsenale als ersten Schritt für eine nukleare Abrüstung forderte. UnterstützerInnen erklärten in Zeitungsanzeigen die Hintergründe der Versteigerung. Sie rechneten aus, daß die Bundessteuern, die in den Pentagonhaushalt fließen, höher als der gesamte Gemeindehaushalt in Colraine, Massachusetts, waren. Als es am 19. Juli dann zur Auktion kam, stand vor dem Büro des Finanzamtes in Greenfield, Massachusetts, schon morgens um acht eine 600 Meter lange Schlange. Betsy Corner und Randy Kehler hatten ihre UnterstützerInnen aufgefordert, anstatt Geldgeboten „kreative“ Sachgebote zu machen. 70 Gebote für das Haus lagen in versiegelten Umschlägen vor. Betsy und Randy waren ziemlich nervös.
Schließlich wurden die Umschläge geöffnet. Darin: Konfettischnipsel, Papiervögel, Spielzeug, psychotherapeutische Behandlung für „überarbeitete Steuerbeamte“, insgesamt 4.411 Stunden für Gemeindearbeit zum Mindestlohn, usw; Die Gebote betrugen umgerechnet 35.000 Dollar. Aber es gab kein Geldgebot. Dem Finanzamt blieb also nichts anderes übrig, als das Mindestgebot für das weiße Bauernhaus selbst abzugeben: 5.100 Dollar. Damit wurde die US-Bundesregierung zur legalen Eigentümerin und beging laut Randy Kehler „ein weiteres moralisches Unrecht“. Für beide war die Versteigerung ein Sieg. Es sei „von symbolischer Bedeutung, daß unser Haus gerade am zehnten Jahrestag der nicaraguanischen Revolution und in der Woche versteigert wurde, in der der Stealth-Angriffsbomber getestet wurde“. Und wie weiter? In allen Nachbarorten haben sich Telefonketten gebildet, die auf den Tag einer Regierungsbeschlagnahme warten. Wenn der Gerichtsvollzieher kommen sollte, wird man mit gewaltlosem Widerstand verhindern, daß beide aus ihrem Haus vertrieben werden. Dem Netzwerk gehören bisher 300 Leute an. Sie werden hoffentlich lange auf das Klingeln warten müssen.
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