: „Eigentlich ist er schon vor zehn Jahren gestorben“
Der Black Panther Huey P.Newton wurde am Dienstag unter ungeklärten Umständen erschossen / Sein Anwalt: „Das FBI hat ihn paranoid gemacht“ ■ P O R T R A I T
Von Andrea Seibel
Die Todesmeldung war Routine für die Polizei in Oakland/Kalifornien. Aber nicht für uns. Denn der Mann, der am Dienstag morgen um 5 Uhr 30 in einem von Crack-Dealern zerstörten Stadtteil von Schüssen durchsiebt auf der Straße lag, war Huey P.Newton, Mitbegründer der Black Panther. Tot mit 47 Jahren, mindestens drei Kopfschüsse. „Es ist tragisch, daß er so starb“, sagte Bobby Seale gestern. „Ich hoffte, wir beide würden so was wie militante Senioren werden.“
Huey Newton und Bobby Seale gründeten, auch beeinflußt von Malcolm X., im Oktober 1966 die Black-Panther-Partei. Weitere bekannte Namen: Eldridge Cleaver, Bobby Rush, Elmo Pratt, Raymond Hewitt, Elaine Brown, Angela Davis. Im Gegensatz zum gewaltlosen Widerstand Martin Luther Kings vertraten sie in ihrem Kampf gegen weiße Vorherrschaft und Arroganz auch den Einsatz von Gewalt.
Die Erfolge der Bürgerrechtsbewegung ließen auf sich warten. „Die Macht aus den Gewehrläufen“ sollte nachhelfen, endlich dem Terror der rassistischen, weißen Polizei ein Ende zu bereiten und schwarzes Selbstbewußtsein und Stolz zu stärken. Panther-Leute kreierten dabei einen eigenen Stil: Mit Afro-Look, schwarzen Lederjacken, Baskenkappen - und Knarren - ausgestattet patrouillierten sie in den Straßen, um Schwarze vor den Übergriffen der „pigs“ zu schützen. Sie folgten Polizisten, in der einen Hand die Waffe, in der anderen das Gesetzbuch, und intervenierten, wenn sie merkten, daß ein Schwarzer belästigt wurde. Und, nicht zu vergessen, sie leisteten auch Sozialarbeit im klassischen Sinne: Sie finanzierten Küchen für Ghetto-Kinder, hatten eine eigene Schule, eine Zeitung, bekamen in den 70ern Bundesgelder für Projekte, konnten auch viel Geld bei weißen Liberalen zu Zeiten des „radical chic“ einsammeln.
In einer Rede in Philadelphia 1970 umriß Newton die Ziele der Partei: das Selbstwertgefühl der Schwarzen zu stärken; Arbeit für alle und soziale Wohnverhältnisse; ein Ende der kapitalistischen Ausbeutung und ein Ende der Brutalität der Polizei, unfairer Gerichtsprozesse und politischer Haft. Doch da hatte es schon zuviele bewaffnete Konflikte mit der Polizei gegeben und auch unüberwindbare Auseinandersetzungen in der Gruppe: Während „Verteidigungsminister“ Newton den Einsatz von Waffen nur zur Selbstverteidigung legitimierte, glaubte „Informationsminister“ Eldridge Cleaver damals an die bewaffnete Revolution.
Das FBI unter dem damaligen Jäger Edgar Hoover lag schon auf der Lauer. Agenten wurden eingeschleust, die Operation „COINTELPRO“ lief an, nicht nur, um die Black Panther zu zerstören, sondern um die ganze Bürgerrechts- und später Friedensbewegung zu diskreditieren.
1969 wurden die Panther-Leute Clark und Hampton in Chicago erschossen. Verhaftungen, Tod, Streit - das trieb die Panther auseinander. Schon 1967 war Newton in eine Schießerei mit Polizisten in Oakland geraten. Ein Polizist starb. Er wurde zu zwei bis 15 Jahren Knast verurteilt, mußte aber nur 22 Monate absitzen, weil ihm die Tat in einem Revisionsverfahren nicht endgültig nachgewiesen werden konnte. 1974 floh er nach Kuba, nachdem ihm der Mord an einer schwarzen Prostituierten angelastet worden war. Er kehrte in die USA zurück, als die Anklage fallengelassen wurde.
Seitdem hatte er ständig mit Polizei und Knast zu tun. Doch das ist auch nur die eine Seite seiner Existenz. Mit den Black Panthern war 1982 Schluß; kein Elan, keine Gelder mehr. Die meisten waren schon früher ausgestiegen. Traurigster Fall ist da wahrscheinlich Cleaver, 53, dessen Odyssee vom radikalen Linken über das Christentum führte und im Schoß der Republikaner endete.
Bobby Seale, jetzt 52, arbeitet heute an der Temple Universität in Philadelphia und macht sich einen Namen als Autor von Kochbüchern wie „Barbecue with Bobby“. Bobby Rush, 42, verließ die Panther schon 1969 und ist heute Chef einer Konsulting-Firma in Chicago.
Und Newton? Der machte immerhin 1978 seinen Doktor in Philosophie: „Krieg gegen die Panther. Eine Studie über die Repression in Amerika.“ Danach ging es ihm immer schlechter. Kein Job, Ärger wegen Drogen, immer wieder Knastaufenthalte.
Laut ersten Polizeiberichten gibt es keine Anhaltspunkte, daß Huey Newton wegen Drogen erschossen wurde. Sein Anwalt Garry: „Ich habe das so erwartet. Das FBI hat die Black -Panther-Partei gekillt, und sie haben ihn so paranoid gemacht, daß es fast ein Wunder ist, daß er überhaupt noch am Leben war. Eigentlich ist er schon vor zehn Jahren gestorben. Und erst jetzt hat man die Leiche gefunden.“
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