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Giftige Duftsärge

■ Dioxinverseuchung des Bodens rund ums Wilmersdorfer Krematorium? / Bezirksamt untersucht den Boden / Geruchshemmer im Sarg setzen Supergift frei

Rund um das Krematorium Wilmersdorf liegen, so vermutet der Umweltsenat, seltsame hochgiftige Altlasten im Boden. Dehalb soll jetzt das Bezirksamt Bodenuntersuchungen durchführen. Grund für die Verseuchung: Geruchsteine, die noch bis Anfang dieses Jahres in Särgen verwendet wurden, haben bei den Einäscherungen krebserregende Dioxine und Furane freigesetzt. Die Geruchsteine, die nicht nur den Modergeruch killen, sondern auch in Pissoirs eingesetzt werden, sind Produkt einer eleganten Form der Entsorgung, die der Chemieriese Bayer betreibt. Paradichlorbenzol, ein giftiger Rückstand aus dem Herstellungskreislauf, wird als rosa/hellgrüner Geruchsverbesserer auf den Markt geworfen.

In Wilmersdorf dürften die duftenden Särge besonders üble Folgen gehabt haben, denn das Krematorium besitzt im Gegensatz zu den Krematorien in Ruhleben und im Wedding keine Rauchgasfilteranlage. Thomas Schwilling, Referent aus dem Umweltsenat: „Die Flugasche aus dem Krematorium weist 20mal soviel Dioxin auf wie die Asche aus der Müllverbrennungsanlage Ruhleben.“

Doch nicht nur die Geruchsteinchen haben bei der Verbrennung Dioxine und Furane freigesetzt, auch die Lackierung und die Auskleidung der Särge war bis vor einigen Jahren keineswegs umweltfreundlich: Nylonauskleidungen und Nitrolacke gifteten durch den Wilmersdorfer Kamin. Heute sollen die Särge angeblich umweltfreundlich sein - sagen die Bestatter. Ein großes Filialunternehmen: „Innendrin verwenden wir nur noch Naturstoffe, außen den vorgeschriebenen 'Feuerlack‘, der glänzt zwar nicht so schön, emittiert aber kaum.“ Auf den Begriff „Öko-Sarg“ will sich das Unternehmen allerdings nicht festlegen lassen. Ein Bestatter aus Neukölln kann sich gar nicht vorstellen, daß bei heutigen Särgen noch Super-Gifte freigesetzt werden. Die Innenausstattung sei aus „naturbelassener Baumwolle, Krepp oder aus 'Velvet'“, einem angerauhten Spezialpapier. „Auf den Sargboden kommen Sägespäne, die Feuersärge sind sowieso aus kaum behandelten Vollkiefernholz, da kommen nur noch wasserlösliche Lacke drauf, kein Nitro.“ Oder setzten die Leichen etwa Dioxine frei? Nein, meint der Mann, „das sind doch ganz normale fossile Brennstoffe“.

Einäscherungen scheinen zur saubersten Form der Bestattung geworden zu sein - zumindest mit Filter. Denn beim normalen Begräbnis kommen keineswegs „kaum behandelte Särge“ unter die Erde. Und auch Gruchsverbesserer im Sarg sind dabei auch noch üblich. „Da unten gefährden sie das Grundwasser“, meint Umweltreferent Schwilling. Nach Auskunft des Bezirksamts sollen die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen Ende Oktober vorliegen.

kotte

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