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Begriffsverwirrung-betr.: Leserbrief von...: "Selbstbestimmte Sexualität", taz vom 22.8.89

betr.: Leserbrief von Marion Olthoff: „Selbstbestimmte Sexualität“, taz vom 22.8.89

Ich glaube, es wäre an der Zeit, in die allgemeine Begriffsverwirrung ein wenig Klarheit zu bringen.

Pädophilie meint einfach Sex mit Kindern, währenddessen Päderastie Verkehr mit geschlechtsreifen Jugendlichen gleichen Geschlechts meint (im alten Griechenland unterschied man noch Sex mit Jungen und mit Jünglingen zwischen 17 bis 20; ich empfehle dazu Foucaults Darstellungen der Geschichte der Sexualität).

Auffallend ist, daß das Thema Päderastie ausschließlich männliche Jugendliche betrifft. Der berühmte und berüchtigte § 175 in seiner „liberalisierten“ Fassung (man errinnere sich: in seinem Namen wanderten Tausende von Schwulen ins KZ) stellt Sex mit männlichen Jugendlichen unter Strafe; Lesben, die mit jungen Mädchen schlafen, werden davon gar nicht erfaßt.

Marion Olthof verwechselt meines Erachtens sexuelle Initiation und sexuelle Gewalt. Sexuelle Initiation ist immer ein „Herrschaftsverhältnis“, zumal sich dabei der sexuell Erfahrene und der weniger oder gar nicht Erfahrene gegenüberstehen; dieses „Herrschaftsverhältnis“ löst sich jedoch im Laufe der Initiation von selber auf, zumal wenn sexuelle Gewalt nicht im Spiel ist (das dabei die Grenzen verschwimmen, weiß ich auch. Aber dies gilt zum Beispiel auch im Fall der sexuellen Hörigkeit unter Erwachsenen).

In der sonst vielgeschmähten DDR ist sexueller Verkehr mit Jugendlichen ab 14 Jahren generell straffrei, in Holland ab zwölf. Diese Regelungen sind einfach Anpassung an die Realitäten, zumal ein Großteil der Jugendlichen heute (ob homo oder hetero) sexuelle Erfahrungen schon gemacht hat. Daß man Liebesbeziehungen einfach wegdekretieren will, weil sie einem nicht ins Konzept passen, finde ich nicht „feministisch“ sondern urdeutsch. (...)

Kurt-Werner Pörtner, Rüdesheim

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