: KREUZKUNST
■ KULT-KULT-KULT
Auf Opa Lindenbergs Schleimspuren wandelnd und in bester autoritätsgläubiger Tradition wollen jetzt auch das „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ als Organisatorin und die Mutoid Waste Company als Skulpteurin ihren Beitrag zum allgemeinen Weltfrieden ableisten und endlich auch einmal an die üblichen Papas Honecker, Momper, Gorbatschow und Bush schreiben. Denn während früher Politiker gerne PR-mäßig Kinder küßten, kritzeln Künstler heute gerne aus dem selben Grund Briefe an Politiker. Um „Genehmigung und Unterstützung für eine im besten Sinne entkrampfende kulturelle Maßnahme“ bitten untertänigst die kleinen Kinder bei den großen Männern. Sie möchten nämlich bitte, bitte am Rande des Görlitzer Bahnhofsgeländes eine große zweiteilige Skulptur auf beiden Seiten der Grenze installieren. Und obzwar der Symbolwert dieses Primaeinfalls in all seiner Ostwestproblematik schon durchaus Weltniveau hat, setzen die Meßdiener gleich noch einen drauf, indem sie nämlich am 1.September 1989 um 12Uhr weltwesentlich werden wollen.
Doch immernoch nicht genug der Blitz-Vergreisungs- und Verblödungs-Tragödie um die vor einer Woche noch durchaus mit einem erklecklichen Packerl Witz ausgestatten, jungen, müllwerkenden Leute aus England. Denn die Mutoid Waste Company ist - oh Schreck - in die Hände des Büros für ungewöhnliche Maßnahmen gefallen. Die wiederum bemühen sich ja nun schon seit einer Weile um eine effiziente Fortblödung in Sachen UFA-Juppi-Mächtigen-Dialogisierungs-Schleimen, Sätze wie „Die Zeichen der Zeit sollten daher nicht auf Konfrontation, sondern auf Zusammenarbeit gerichtet sein. Wir halten es gerade als KünstlerInnen und Kulturschaffende für eine besondere Aufgabe, diesen Zusammenhängen auf sinnliche Weise besondern Nachdruck zu verleihen“, etc. pp. schwall, schwall, wie es aus des Büros Brief an Honecker integrativ schwafelt, hätte man bisher allerdings nur dem Ober-Säuseler Juppi persönlich zugetraut - mindestens aber dem Evangelischen Kirchentag.
Und siehe, auch mit letzterem wird fraternisiert, denn die müllmönchischen Neo-Billy-Grahams bitten Honecker und Momper um eine „Zeremonie der Annahme, die durch die koordinierte Zusammenarbeit von Ost und West zustande kommen könnte“.
Immer noch nicht übel? Noch mehr Brechstangenharmonie? Bitte:
„Die Skulptur besteht aus einer großen menschlichen Figur, die hoch genug ist, um über die Mauer zu blicken. In der einen Hand hält sie einen Vogel (des Friedens), dem es erlaubt und auch möglich ist, auf seiner eigenen Standkonstruktion und seinen eigenen Rädern fortzufliegen und auf der anderen Seite der Mauer zu ruhen.“
Gute Nacht, Hosianna, Amen.
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